Beim Exintendanten der Komischen Oper und rührigen Operettenspezialisten (zugleich aber erwiesenem Musiktheater-Alleskönner) Kosky ist denn auch die sprichwörtliche Federboa aus dem Reservoire der schwulen Klischees keine gewagte Ausnahme. In den Inszenierungen ist es fast schon ein leitmotivisch eingesetztes Logo. Und sei es als Accessoire für Wagners Rheintöchter. Das Besondere ist aber, dass er damit nicht in die Falle eines pseudoliberalen Erziehungseifers tappt, sondern allemal souverän damit spielt. Für die heterosexuelle Zuschauermehrheit wird das meist zu einer perfekt sitzenden Gaudi. Für die souverän selbstbewussten Schwulen ist es kein Problem, sondern eine Vorlage fürs gemeinsame Amüsement. Man könnte zwar fragen, worüber da eigentlich gelacht wird, aber es funktioniert als gemeinschaftsstiftendes Erlebnis allemal.
Klassiker queer
Auch noch, als der eloquente Australier längst allgemein anerkannter Maître des Genres war, verkündete er noch, dass die beiden Operetten-Prunkstücke „Die Fledermaus“ und „Die lustige Witwe“ nichts für ihn seien. Was natürlich in beiden Fällen nicht stimmte.
Vor seiner Züricher Witwe ließ er in München im vergangen Dezember endlich auch „Die Fledermaus“ flattern. Beim Frosch (Sprechrolle) überraschte er sogar. Mit der Ballgesellschaft beim Prinzen Orlofsky aber schlugen der Regisseur und sein Kostümbildner Klaus Bruns mit einer genderfluiden Kollektion vom Feinsten für den Chor natürlich so zu, dass die Pailetten (metaphorisch) nur so von der eng geschnürten Taille der Herren Damen flogen. Samt einem tiefen Griff in die Kiste mit allen schwulen Kostümierungsklischees. Ganz so, wie es bei diesem Orlofsky, den Counter Andrew Watts als mintgrüne Super-Dragqueen mit Glitzerbart aufdonnerte, nun mal so Sitte ist. Freilich lauert auch für den Vorreiter Kosky hinter jeder Ecke die Gefahr, vom eigenen Erfolg überholt zu werden. Oder hinter der nächsten Federboa. Noch war er jedesmal schneller.
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