Erst kommt das Fréssen...

Farbige Parabel

Carl Orff: Die Kluge

Theater:Oper Köln, Premiere:13.03.2016Autor(in) der Vorlage:Gebrüder Grimm: Die kluge BauerntochterRegie:Brigitta GillessenMusikalische Leitung:Alexander Rumpf

Ursprünglich wollte die Kölner Oper Orffs „Kluge“ zur Einweihung des fertigen Kinderopernsaals am Offenbachplatz zeigen – in einer Fassung für zwei Klaviere und Schlagzeug. Wie allgemein bekannt, konnte daraus nichts werden. Das Haus entschied sich für die ‚große Lösung‘ im Obergeschoss des Staatenhauses, dem neuen Exil der Kinderoper – und spielt das Stück jetzt als „Familienoper“. Die Akustik in dem Riesenraum, der aus feuerpolizeilichen Gründen nur etwa 200 Zuschauer fasst, ist hervorragend, so dass das in erstklassiger Besetzung angetretene Gürzenich-Orchester unter Alexander Rumpf von Beginn an eine Hauptrolle beanspruchen konnte. Orffs Wiederholungs- und Ostinato-Festival kam nicht nur mit großer Klangpracht daher. Auch der postmoderne Charakter dieser Musik wurde hörbar, die sich distanzierende, die Handlung lustvoll kommentierende Haltung, das überhaupt nicht betuliche ironische Augenzwinkern des Komponisten. Die fanfarenseligen Hofmusiken scheinen sich über die zur Zeit der Uraufführung noch nicht mal angedachten Filmmusiken der DEFA-Märchenfilme förmlich herzumachen, die lyrischen Szenen verweisen stets auf operngeschichtliche Vorbilder und behaupten dennoch eigene Wirkungskraft.

Die Musikalität der Inszenierung von Brigitta Gillessen ermöglicht solch differenziertes Hören. Aus Formen, Farben und Symbolen hat Christof Cremer ihr ein optisch attraktives Märchenland hingestellt. Gillessen organisiert das Spiel als Parabel über Macht und Machterschütterung, erzählt genau und sehr detailliert. Die Figuren erscheinen stark typisiert oder nahezu ins Abstrakte verfremdet. Die Titelheldin, eigentlich eine nur durch ihre Intelligenz auffällige Bauerntochter, erscheint in einer Art Ballerina-Look, der sowohl an Velazquez- als auch an Degas-Gemälde denken lässt. Anna Palimina singt wortdeutlich und mit viel Klangfantasie, aber zur Identifizierung lädt diese kunstvolle, merkwürdig unmärchenhafte Figur nicht ein, was in Vorstellungen mit vielen Kindern eventuell problematisch sein könnte.

Mehr Projektionsfläche bietet da der cholerisch-elegante König. Der in Köln sonst eher im schweren Fach beheimatete Oliver Zwarg lässt herrliche Lyrismen hören und spielt wunderbar entspannt. Auch der sehr straighte Bauer von Bjarni Thor Kristinsson gibt Anlass zu Freude. Im Mittelpunkt des Zuschauerinteresses stehen allerdings die drei Strolche, deren Dialoge zu einem Großteil aus Sprichworten und Redensarten zusammengesetzt sind. Bauernschlaue und profitgeile Anarchisten sind das, die kein gutes Haar an der Obrigkeit lassen. Man darf sich wundern, dass diese Texte 1943 ihre Uraufführung erleben durften. 2016 verbreiten Martin Koch, Michael Mrosek und Dennis Wilgenhof großen Spaß und behaupten in vielen guten Momenten geradezu tänzerische Eleganz, ohne das, in Orffs Ausdrucksweise, Drastisch-Derbe zu vernachlässigen. Die selten gespielte „Kluge“ ist ohne Zweifel ein Stück fürs Repertoire!