Der schließlich alle Welt begeisternde volkstümlich-satirische (doch nie tümelnde) Roman wurde alsbald nach Erscheinen schon von Max Brod und dem Satiriker Hans Reimann für die Bühne adaptiert. Piscator inszenierte das (mit Trickfilmeinblendungen von George Grosz) varietéhaft, Brecht formte es 1943 aktualisierend und zugleich herzergreifend poetisch um als „Schwejk im Zweiten Weltkrieg“.
Jetzt nahm sich Regisseur Dusan David Parizek (Jahrgang 1971) den „Schwejk“ vor. D.D.P. studierte in Prag und München Schauspiel und Regie und gründete 1998 in Prag ein vielgerühmtes Off-Theater, das sich mittlerweile fest institutionalisierte. Jetzt arbeitet er auch an ersten Häusern in Deutschland, der Schweiz und in Wien (Einladung zum diesjährigen Berliner Theatertreffen mit Wolfram Lotz‘ „Die lächerliche Finsternis“, Burgtheater). Klar, dass ihn da Wiens rühriger, Osteuropa-affiner Festwochen-Schauspieldirektor Stefan Schmidtke engagierte (in Koproduktion mit dem Prager Studio Hrdinu und dem Theater Bremen). Und wahrlich: Nichts wäre für D.D.P. und für die Ex-Kapitale der Donaumonarchie passender als eine neue, möglichst tolle „Schwejk“-Adaption. Parizeks Grundidee hat Witz: Schwejk tritt in „Der Fall Svejk“ gar nicht auf. Auch ist es keine „Schwejk“-Adaption, sondern eine „Schwejk“-Paraphrase, also alles „nach“ und nicht „von“ Hasek.
In deren Mittelpunkt steht nun die Anklage des saufseligen und kindlich verspielten, so trotteligen wie gerissenen Soldaten als vermeintlich russischer Spion. Und der steckt im Knast, wo er, wie wir erfahren, gefoltert wird. Wir erleben nämlich die (ziemlich fatale) Art Vorbereitung eines Militär-Hochverrats-Prozesses. Dabei ist dem Chefankläger, einem General Fink (Martin Baum, ein hysterisch eifernder Nazi-Vorläufer), von Anfang an klar: „Er wird gehängt!“
Erzählt wird also nicht, theatralisch komprimiert, die so abenteuerliche Schwejk-Story, vielmehr beschreibt Parizek als frei nachdichtender Autor ein äußerst fragwürdiges juristisches Vorspiel bzw. diverse konfuse Umstände der Causa Schwejk. Dafür hält er sechs Figuren parat: Den besagten General Fink, dessen Adjudanten, einen Kadetten Biegler (Peter Fasching als aashaft karrieregeiler Bürokrat), eine Frau Oberleutnant Lukasova (Ivana Uhlirova als juristische und menschliche Vernunft), den Rechnungsfeldwebel Vanek (Jiri Cerni, ein sarkastisch-ironisch verzottelter Intelligenzler) sowie den Einjährigfreiwilligen Marek (Vladimir Javorsky, zivil Drogist, Hundezüchter, Zuhälter) und noch dazu den ungarischen Eisenwarenhändler und Operetten-Liebhaber Kakonyi Gyla (Gabor Biedermann). Soviel zum Personal auf der grauen weiten Bühnen-Leerfläche (bestückt allein mit einem Tisch) in der Riesenhalle G des Wiener Museumsquartiers.
Was nun dort die Hasek-Parizek-Leute im hübschen, doch leider oft kaum verständlichen Sprachenkauderwelsch aus Deutsch, Tschechisch, Ungarisch zu sagen haben (gemeint ist holzhammerhaft: Kauderwelsch wie heutzutage in der EU), was da also ziemlich umständlich und arg verwurschtelt verhandelt wird nach Aktenlage und beruflich-privaten Verstrickungen mit dem Angeklagten, das mischte sich Parizek zusammen aus Hasek-Sätzen, wobei er die Rede mehrerer Figuren in jeweils eine goss, sie also neu konstruierte. Kann man gern machen, doch wurde daraus keine stringente, gar packende Erörterung des verrückten Falls. Zwar kriegen sich die ansonsten linkisch rumstehenden Darsteller gelegentlich einigermaßen in die Wolle (aus sozialen, vor allem aber aus nationalistischen Gründen), auch wird allerhand Kommiss-Blödigkeit ausgestellt und sogar manchmal ein Liedchen geträllert, doch dass hier eigentlich eine hasserfüllte politisch-juristische Schweinerei passiert, bleibt blass. Was schon an der Vorlage liegt (Parizek), die flaue, flachbrüstige, schemenhafte Plapperfiguren entwirft, aber eben auch noch, es muss gesagt sein, am überwiegend geradezu laienhaften Spiel der Darsteller. Und natürlich an der überraschend uninspirierten, ja eigentlich kaum vorhandenen Regie (Parizek), die sich im Arrangement der Texthersagerei erschöpft.
Im Programmblättchen steht gedruckt, damit wir es auch wirklich kapieren, der „Fall Schwejk“ demonstriere „ein europäisches Trauerspiel des Chauvinismus, Nationalismus, Militarismus und Bürokratiewahns, der Anarchie und Blasphemie“, es würden akute ethnische Spannungen in Europa aufgezeigt und die Demokratiefähigkeit und Stabilität der heute vereinten Länder diskutiert. ? O du lieber Schwejk, das klingt wie aus dem ach so gut gemeinten Antrag für EU-Kulturfördergeld. Und so ist denn auch die ganze Produktion; Papiergeraschel, ohne Saft und Kraft – kein Festspielniveau, eher wie Laienspiel. Bis auf eine Ausnahme: der vehement komische Auftritt von Gabor Biedermann (endlich ein Spieler mit Aura und Potenz). Da schäumt für einen kurzen schönen Moment auf, was womöglich doch noch hätte werden können (vielleicht eine kleine tolle Groteske) aus dem so faden Konstrukt, das Parizek aus der prallen Hasek-Vorlage gebosselt hat. Dass letztlich das längst sedierte und fluchtwillige Publikum zu Gulaschsuppe und Bier auf die Bühne gebeten wurde, machte die angestrengt verkorkste Uraufführung auch nicht mehr gut.