"Das Liebesverbot" in Bayreuth

Es darf gelacht werden

Richard Wagner: Das Liebesverbot

Theater:Oberfrankenhalle, Bayreuth, Premiere:08.07.2013Regie:Aron StiehlMusikalische Leitung:Constantin Trinks

Es geht also doch. Man kann in der Bayreuther Oberfrankenhalle eine „richtige“ Inszenierung platzieren. Wenn man es kann. So wie Regisseur Aron Stiehl, der zusammen mit seinem Bühnenbildner Jürgen Kirner und dem Kostümbildner Sven Bindseil aus Richard Wagners „Liebesverbot“ ein Fest für die Augen machte, das seines gleichen sucht. Bei Wagner sowieso. Wann kann man bei diesem Komponisten schon mal herzhaft lachen oder sich durchgängig nach Herzenslust amüsieren! Aus der Perspektive des späteren Musikheroen wurde das „Liebesverbot“ bislang zwar auch gelegentlich mal ausgegraben, aber meist als Vorbote des kommenden Genies (zu) bierernst genommen. Stiehl nimmt es auch ernst. Aber als das was es ist, nämlich als eine flotte Opera buffa, in italienischer Manier also, über der mitunter schon mal die Lohengrin- oder Tannhäuserromantik wetterleuchtet.

Eine, die vor allem Freude macht: unüberhörbar dem Gewandhausorchester unter Constantin Trinks im Graben (der hier gar keiner ist), unübersehbar auf der Bühne bei einem Chor (Einstudierung: Alessandro Zuppardo) und einem Ensemble, die im Vergleich zum „Rienzi“ des Vortages – sofern beteiligt – wie ausgewechselt wirkten und folgerichtig dann auch im Saal.

Stiehl macht Wagners Version von Shakespeares „Maß für Maß“ szenisch Beine, erzählt die Geschichte genau, lässt sie aber schweben, ja abheben und sorgt so für ein Wagnervergnügen, das man bislang kaum für möglich gehalten hat. Alles ist hier ironisch, witzig, ja spritzig, aber ohne, dass es albern wird. Der scheinheilige Tugendterror, mit dem der deutsche Moralist Friedrich, als zeitweiliger Statthalter des sizilianischen Königs, Palermo umzukrempeln versucht, wird lächerlich gemacht. Man könnte, vor allem Shakespeares Vorlage natürlich auch als Warnung vor den Attacken eines eifernden Fundamentalismus von heute interpretieren, aber die Musik weist genau den Weg, den Stiehl eingeschlagen und konsequent verfolgt hat.

Hier spielen alle mit und geben ihrem Komödiantenaffen Zucker. Beim Hallodri Luzio (höchst geschmeidig in Stimme und Figur: Bernhard Bechterhold), dem Angelo (Jürgen Kurth), dem bauchgemütlichen Pontio Pilato (Martin Petzold) oder dem Antionio (Dan Karlström) gehört das zur Grundausstattung. Aber auch Tuomas Pursio als Moral-Statthalter mit der dunklen Seite, steuert als Friedrich im hochgeknöpften Gehrock aparten Spiel-Witz bei. Eine sängerdarstellerische Glanzleistung bietet Christiane Libor als Schwester Isabella. Sie ist nicht nur Schwester (respektive Novizin) der Kleidung und (vorläufigen) Absicht nach, sondern sie ist eben auch per Geburt die Schwester des gemäß dem absurden Karnevals- und Liebesverbot des Eiferers an der Spitze des sizilianischen Opern-Gemeinwesens mit dem Tode bedrohten jungen Edelmannes Claudio. David Danholt kommt in dieser Rolle wie ein historischer Hippie daher. Dass Isabella ihrem Bruderherz auch eine Lektion erteilt, weil sie sein Ansinnen, es doch – wie gefordert – mit dem Statthalter zu treiben, damit er begnadigt wird, daneben findet, ist das eine. Wie diese beherzte Schwester aber das Handlungs- sprich Intrigenruder übernimmt, weil sie dem obersten Spitzbuben die eigene, einst schnöde verlassene Gattin Mariana (glänzend in der kleinen Rolle: Anna Schoeck) als heimliche Verabredung unterjubelt, ihn damit bloßstellt und so die aufkeimende Moraldiktatur aushebelt, das hat Sister-Act–Schmiss. Samt hinreißender Dreier-Balletteinlage und einer im wahrsten Wortsinn umwerfenden Chorus Line für alle. Dabei sitzt jede Bewegung, ist jede Geste aus der Musik abgeleitet, klingt jede Maskerade auch so.

Jürgen Kriners hat mit ein paar Vorhängen und beweglichen, auffächerbaren Stellwänden eine so intelligente Bühne gebaut, dass es im Handumdrehen gelingt, einen Dschungel der nach Mittsommernacht aussieht, in eine karge Klosterzelle oder in eine bürokratische Machtzentrale mit lauter durchnummerierten Schubfächern zu verwandeln. Und wenn für den Umbau einmal etwas mehr Zeit gebraucht, dann wird der Dirigent von der Bühne zum Warten aufgefordert und das Personal mit der Trillerpfeife angetrieben.

Die opulenten Kostüme bewegen sich zwischen dem historischem Hippielook (bei Claudio), stilisierter Uniformierung und dem Gehrock des bigotten Statthalters. Das Gewandhausorchester folgt auch dem zweiten Wagnerspezialisten im Dirigentenbunde, Constantin Trinks, höchst präzise und mit Spaß an der Freude. Diesmal überzeugt auch das Protagonisten Ensemble aus Leipzig. Operette ruft Schwester Isabella einmal ins Publikum. Kann schon sein. Aber was für eine! Diesmal war das Publikum wirklich begeistert. Und allein schon dieses Liebesverbot rechtfertigt die Jubiläumsanstrengung mit den Frühwerken Wagners in Bayreuth!