Aber es geht Studnitz weniger um den Fanatismus an sich, sondern mehr um die Frage, wie sich jeder Einzelne, der sich seines Verstandes bedient, zu diesem verhält und handelt – wie in einem Lehrstück von Brecht. Deshalb lässt er auch in seiner Regie, die opernhaft statuarisch angelegt ist, die Spieler sehr oft direkt ins Publikum schauen und vor allen Dingen das Geschwisterpaar wie mechanische Puppen bewegen und sprechen. Die älteren Gegenspieler – Jörg-Heinrich Benthien als Sopir und Wilhelm Schlotterer als Prophet – dürfen immer wieder emotionale Ausbrüche herausschreien. Erst zum Schluss kommt diese Inszenierung, die sehr viele Mittel einer distanzierenden Verfremdung von Mikroport bis hin zu den wehenden Tücher (oder Schleier?) des Bühnenbildes von Mona Hapke benutzt, zur intensiven Ruhe und hat eine starke emotionale Ausstrahlung. Da fallen die Tücher, die Bühne ist wie schon zuvor in blaues Licht eingetaucht. In diesem Ambiente zeigt sich die Palmire der Sidonie von Krosigk nicht mehr im Leinenkleid mit schnell zu bindendem Kopftuch, sondern emanzipiert im roten Kleid und muss auch nicht mehr mechanisch klappern. Da findet Dan Glazer als Séide schöne Gesten für seine tragischen Gefühle. Nur der ständig in sein Smartphone starrende Omar, die rechte Hand des Propheten, des Florian Stern darf in diese Tragödie weiter hineinlächeln und der Phanor des Gunther Nickles daneben stehen.