Foto: Katja Gaudard und Julian Anatol Schneider in "Die Perser" am Theater Basel © Eike Walkenhorst
Text:Bettina Schulte, am 18. März 2023
Diese Klage ist so alt wie das Theater. Die Tragödie „Die Perser“ des griechischen Dramatikers Aischylos ist das älteste überlieferte Stück der abendländischen Geschichte. Und es ist ja interessant, dass diese Geschichte mit einem großen, fast übermenschlichen Schmerz beginnt. Der Dichter wechselt dazu die Seiten: Er versetzt sich hinein in die Verlierer der Seeschlacht von Salamis, in der die persische Flotte unterging, ohne diese zu verspotten. Er nimmt ihre überwältigende Trauer über den Zusammenbruch ihres Reichs, den Verlust einer ganzen Generation junger Männer ernst.
Die iranische Regisseurin Sahar Rahimi, die „Die Perser“ am Theater Basel inszeniert hat, traut dem Griechen jedoch nicht über den Weg. Haftet seiner vielgelobten Empathie, fragt sie im Programmheft, nicht etwas Heuchlerisches an? Kann man nur mit denen empathisch sein, die uns ähnlich sind? Aus dieser Perspektive hätte sich vielleicht etwas machen lassen. Aber Rahimi ist an ihrem Unbehagen dem Stück gegenüber ästhetisch gescheitert. Ihre Inszenierung findet an keiner Stelle zu einer Haltung den „Persern“ gegenüber. Sie reiht hilflos Einfall an Einfall – sehr krude gehören leider auch dazu. Und man verlässt die Aufführung im besten Fall mit einem Achselzucken.
Das beginnt schon mit dem Auftritt des Chors: Die fünf wie Barbie-Avatare daherkommenden Schauspielschülerinnen tragen pastellfarbene Leggings und Bustiers: Sie sehen nicht so aus, als ob man sie ernst nehmen könnte. Wenn sie dann die gewaltigen Verse des Dramas (in der stark gekürzten Übersetzung von Kurt Steinmann) gut trainiert (Chorleitung: Julia Kiesler) sprechen, nimmt man zunächst nur die extreme Fallhöhe zwischen Wort und Bild wahr.
Effektvoller Kriegsszenerie
Dann kracht es im Gebälk des Schauspielhauses: Der Krieg bricht los, mit Kampfjets am Himmel und in Feuerstößen explodierenden Bomben. Es könnte eine Szene aus dem gerade oscarprämierten Film „Im Westen nichts Neues“ sein: Und ja, da liegen dann auch zwei schwerst Versehrte auf den unwegsamen Steintrümmern, mit denen die Bühnen- und Kostümbildnerin Evi Bauer den Raum gefüllt hat. Ihnen hängen die Gedärme aus den Körpern, sie wimmern vor sich hin. Der Schrecken des Kriegs, bei Aischylos in Sprache gefasst, wird hier zum optischen Effekt. Und was tun die Choristinnen: Verhöhnen die Verletzten in menschenverachtender, obszöner Weise. Offenbar agieren sie bei Rahimi als empathielose Siegerinnen. Entsprechend brechen sie beim Bericht des Boten (Julian Schneider) über den Untergang der Armee in hämisch schrilles Lachen aus.
Und Atossa, die Gattin des Perserkönigs Dareios, die der erneuten Niederlage ihres Sohnes Xerxes entgegensehen muss? Sie ist bei Katja Gaudard ein aufgepimptes abgehalftertes platinblondes Luxusgeschöpf, das sich in die Verse des Aischylos verirrt haben muss. Der aus der Unterwelt für ein letztes Mal heraufgestiegene Gatte (Edgar Eckert) ist mit Goldkettchen, Rolex und weißem Zuhälteranzug die Karikatur des Besitzers einer Yacht, wie sie gleichzeitig im Video über die Bühne und durch die blaue Ägäis fährt. Die Leute lachen – klar.
Als dann noch für einen Kürzestauftritt der unglückliche Xerxes als Looser mit verknittertem Hemd und strähnigem Langhaar den Satz des Abends von sich gibt: „Wir haben alles verloren“, gerät die Inszenierung in Gefahr, endgültig ins Klamaukige zu kippen. Doch da tritt am Ende ausgerechnet der Chor vor: Von islamischen schwarzen Gebetsgewändern umhüllt, stampft er die Verlustanzeige noch einmal in den Boden. Sind die „Perser“ damit im Iran der Gegenwart angekommen? Für einen Moment scheint es so. Aber auch das macht den Abend nicht tiefgründiger.