Regisseur Maik Priebe mochte bei seiner Nürnberger Uraufführung des Textes (der ehemalige Münchner Tavernen-Chefkoch Manolis Manussakis hat ihn inspiriert und wohl auch die hämenden Anmerkungen zu Molekularküche und „375 Arten, ein Huhn zuzubereiten“ platziert) nicht auf den lapidaren Witz setzen, mit dem Kerstin Specht den Antiken-Standard immer wieder unterläuft. Er sucht große Geste in neuer Form. Dafür hat Ausstatterin Susanne Maier-Staufen in der Blue-Box eine umfangreiche Rechteck-Tafelrunde gebaut. Schauspieler mit Mikroport und Zuschauer mit Kopfhörer sitzen gemeinsam bei Tisch, welcher abwechselnd als Laufsteg oder Bühnenraum funktioniert. Delikate Hörbuch-Ästhetik wird der Aufführung wie eine Präambel vorangestellt, dann kann die alternative Bildungsreise beginnen. Szene für Szene schürft die Regie nach Bedeutung, nur der Chor der vereinigten Schauspieler darf sich bei dieser schweißtreibenden Arbeit in Spechts Ironie sonnen. Im Zentrum herrscht verhangene Melancholie: Frank Damerius zeigt Odysseus als Auslaufmodell mit Rest-Pathos, Adeline Schebesch schafft den Wechsel von keifender Hausfrau Penelope zum Luder Helena auf gleicher Rezitations-Ebene, Pius Maria Cüppers und Rainer Matschuck (Idomeneus und Dädalus) schießen im Kollektiv der Randerscheinungen die Giftpfeile besonders zielgenau.
Die ambitionierte Aufführung rutscht in hundert Minuten immer weiter in die Elegie, immer weiter weg von Kerstin Spechts leichtsinnigerem Gegen-Entwurf. Es ist ja nicht so, dass man den Homer als Simpson haben möchte, aber den alten Klassiker-Sockel durch einen neuen zu ersetzen, hilft dem Projekt nicht wirklich. Es gab freundlichen Beifall für alle Beteiligten – und den heimlichen Wunsch, das Stück bald nochmal zwei bis drei Gewichtsklassen tiefer zu erleben.