Ostermeier und sein Dramaturg Florian Borchmeyer haben das Stück angenehm entschlackt und aus den amerikanischen Südstaaten um 1900 in die deutsche Gegenwart verlegt. Verhandelt wird in der kühlen Eleganz der tiefschwarzen Bühne – weniger konkret realistisch als bei früheren Arbeiten des Bühnenbildners Jan Pappelbaum. Langsam drehen sich die Ledersessel und der Flügel, an dem die angeheiratete Aristokratentochter Birdie ihre Sehnsucht nach Poesie auslebt. Darüber die endlose Treppe, auf der Horace zusammenbrechen wird. Hinten der Salon, in bourgeoisen Charme.
Mark Waschke gibt den Bruder Ben als sportliches Alphatier, David Ruland spielt den subalternen Bruder Oscar, sein Sohn Leo ist bei Moritz Gottwald ein aufgeblasener Wicht, der hysterisch durchknallt, als das große Geschäft ihn in den Knast zu bringen droht. Sie alle spielen großartig, doch Ursina Lardi entwickelt sich als Oscars trunksüchtige Frau Birdie zur zweiten Hauptrolle. Wie sie aufgekratzt im Negligé umherstakst, die Schläge ihres Mannes vertuscht und ihr verpfuschtes Leben beklagt, das ist so schmerzerfüllt wie grotesk komisch.
Horace, bei Thomas Bading ein gebrochener Mann, wird im Angesicht des Sterbens einsichtig. Seine Tochter will er deshalb – im Original – aus dem kapitalistischen Sumpf retten. Letztlich lehnt sie sich tatsächlich gegen Regina auf. Anders bei Ostermeier: Er verabschiedet sich von jeder Hoffnung in eine Generation, die sich von der Geld- und Karrierewelt befreien könnte. Statt der Mutter den Krieg zu erklären, wendet sich Alexandra ab. Ende offen. Regina hat die schärferen Zähne gezeigt – die Moral ist auf der Strecke geblieben. Einsam steht sie zuletzt auf der Bühne und schaut angstvoll die Treppe hinauf, wo ihre Tochter sie verlassen hat.
Wie sich kapitalistisches Denken auf Zwischenmenschliches auswirkt, lässt sich mit Ibsens Stücken allerdings besser erforschen. Hellmans Figuren wirken durchökonomisiert, kaum von psychologischen Motiven geleitet. Sie bleiben flach, sodass Ostermeier mit ihnen nicht so weit kommen kann wie mit Ibsens ambivalenter Figurenzeichnung. Dennoch: Ein schöner Schauspielererfolg ist ihm allemal gelungen.