Im ersten Akt werden Szenen, die in flachen Rechteck-Ausschnitten hinter einem Gazevorhang spielen, mit einem Animationsfilm aus Wüstenszenen, einem hübschen kleinen Atompilz und anderen naheliegende Bildern überblendet. Die Ästhetik ist von einschlägigen Comic Strips inspiriert, die Figuren sind entsprechend eindimensional typisiert, tanzende Ballett-Atome geben einen kunstgewerblichen Einblick ins Innere der Materie. Der zweite Akt frönt den Freuden der choreographischen Geometrie. Auf einem überdimensionalen, hinten hoch aufgehängten und in weiter Rundung nach vorn durchhängenden Blatt Millimeterpapier veranstaltet Sharon viel millimetergenaues Geschreite entlang der dickeren Linien und viel sinnfreies Gerenne kreuz und quer darüber hin, wofür auch der Chor in schwarzer Straßenkleidung aufgeboten ist, dessen Outfit irgendwann ins Atomblitz-gebleichte Hellgrau wechselt. Sogar ein Indianer, kostümiert wie aus dem „Schuh des Manitu“-Fundus, kriecht über die Millimeterkaros, das Kindermädchen Pasqualita mutiert mit dunklem Wallemantel und Raubvogelhaube zur Königin der Nacht des Kindermärchens und macht bedeutungsheischende schamanische Gesten – so paart sich diffuse Opulenz mit handfester Betulichkeit.
Das ist schade. Denn musikalisch hat die Produktion Meriten. Unter dem Dirigenten Johannes Willig lässt das Badische Staatsorchester Adams’ Musik raunen, funkeln, dröhnen und glitzern, Ulrich Wagner hat den Chor sattelfest einstudiert. Und während Katharine Tier als Kitty Oppenheimer kraftvoll, aber auch grell klingt und Dilara Bastar mit den (sehr) tiefen Registern der Pasqualita Mühe hat, sind die männlichen Hauptpartien überwiegend vorzüglich. Neben dem eleganten, klaren und flexiblen Edward Teller des Lucas Harbour gilt das vor allem für Gabriel Urrutia Benet, der in der von mir besuchten B-Premiere den Doctor Atomic mit ausdruckvoll markantem und sehr kultiviert und lyrisch geführtem Bariton singt. Er hat die bei weitem stärkste Szene dieses Abends, bei der die Regie dankenswerterweise Pause macht und Urrutia Benet das „Batter my heart“ nach einem Text des elisabethanischen englischen Dichters John Donne ganz vorn auf dem Umgang des Orchestergrabens herzbewegend singt.