Zwei Novellen, zwei Frauen und zwei Opfer ihrer Lebensumstände – und doch haben die Stoffe letztlich nur den Schauplatz im Kammertheater gemein. Die Bühnenbildnerin Annette Riedel hat ein Podest konstruiert, eine Plattform, die ständig ihre Position verändert, mal wagrecht steht, mal schräg. Auf diesem schlichten Quadrat tummelt sich die Familie der Marquise von O. und verhandelt über die Zukunft der Witwe, die in einer Ohnmacht geschwängert wurde – und per Annonce nun den unbekannten Vater sucht.
Im Kammertheater wird diese kuriose Geschichte allerdings recht fragmentarisch erzählt und auch sprachlich so stark verfremdet, dass nur noch Bruchstücke vom Kleistschen Original übrigbleiben. Es wird gebrüllt, wo man leise Töne vermuten würde, Sätze werden gedehnt und unterbrochen. Und immer wieder wird auch Alltägliches dahergehaspelt und sagt die Marquise (Fritzi Haberlandt) nach dem Auszug von daheim zu ihren Kindern, zwei Puppen: „Ja, dachte sie eben, also, zum Beispiel, dachte sie, wie man diese Zimmer verteilen kann, ja…“.
Einige Passagen der Novelle werden als Dialoge aufgelöst, andere erzählt, dann wieder kommt etwas vom Band – aber nie vermittelt sich, warum.
Ohnehin fehlt der Inszenierung ein schlüssiges Konzept. Ob es die Bühne ist oder die pseudohistorischen Kostüme von Aino Laberenz sind, die übertriebenen Wutausbrüche des Vaters oder die riesige Stoffspinne, die irgendwann vom Schnürboden fällt, alles bleibt an diesem Abend beliebig und ohne intellektuellen Hintersinn. Petras hangelt sich von Szene und Szene und setzt auf Oberflächenspektakel – und am Schluss entsteht der Eindruck, der Vater habe die Tochter vergewaltigt und geschwängert, nicht der Graf. Auch die Schauspieler können diesen Abend nicht retten – nicht einmal Fritzi Haberlandt und Maximilian Simonischek.
In „Drachenblut“ verwandelt sich Simonischek vom Vater der Marquise zum Liebhaber der Ärztin, doch auch diese Figur ist platt und klischiert. Mit Goldkettchen und Kippe posiert Simonischek und erscheint zum Machoklischee erstarrt. Am stärksten ist „Drachenblut“, wenn Astrid Meyerfeldt als Ärztin Heins dichten Text nur vorträgt, wenn sie erzählt, wie ihr Liebhaber plötzlich stirbt und in ihrem verkrusteten Innern auf einmal die Gefühle durchbrechen und die Sehnsucht nach einer Klassenkameradin aufkeimt. Es war eine große Freundschaft, die letztlich an den Herrschaftsverhältnissen der DDR zerbrochen ist. Diese politische Seite des Buches spielt im Kammertheater aber sowenig eine Rolle wie die Psyche der Hauptfigur. Meyerfeldt schafft es dennoch, immer wieder in ihren Bann zu ziehen und zumindest eine vage Ahnung zu geben, wer diese Frau ist, die sich selbst beständig gut zureden muss, um zu überleben: „Es geht mit gut. Ich bin ausgeglichen… Ich habe einen Friseur, zu dem ich unangemeldet kommen kann. Es geht mir gut.“