Diesem Mann ist alles zuzutrauen. Zunächst sitzt er noch zusammengesunken am Tisch des hell ausgeleuchteten weißen Untersuchungsraums. Allein mit sich und seinen Erinnerungen an Liebeslust und -wehe, wie es Robert Schumann in seiner „Dichterliebe“ komponiert hat. Die Lieder stimmt Maximilian Krummen tapfer an, doch nur er folgt der originalen Melodie. Aus dem Orchestergraben des Kleines Hauses des Staatstheaters Braunschweig tönt die Musik von Christian Jost, neun Instrumente, die Schumann oft dissonant konterkarieren, zunehmend in minimal-music-artig flutende Schlenker auflösen und mit Vibraphon, Celesta und Harfe ins Unwirkliche verschwimmen lassen.
Nichts ist mehr eindeutig in dieser Musik. Darf der Eingeschlossene seiner Erinnerung noch trauen? Vergeblich rüttelt er an den Türen, drückt sich in die Ecke, feixt aber auch in die Überwachungskameras. In dem Umschlag auf dem Tisch findet er Fotos des Mädchens – auf dem Boden liegend wie eine Leiche. Wurde sie ihm umgebracht? Oder war er der Mörder, der nun auf seinen Prozess wartet? „Ein Jüngling liebt ein Mädchen, die hat einen andern erwählt. Der andre liebt eine andre, und hat sich mit dieser vermählt.“ Eifersuchtstat im Affekt? Vielleicht weiß er es selber nicht. Man muss an Schumanns bipolare Störung denken, gefühlslabile Menschen, die zwischen liebender Hingabe und Hass schwanken, an Gewalttaten, die quasi ein anderes Ich begeht und den Mörder verzweifelt zurücklassen.