Ensembleszene aus "Puzzle Babylon".

Die sieben Todsünden der modernen Zeit

Amina Gusner, Anne-Sylvie König: Puzzle Babylon

Theater:Bühnen der Stadt Gera, Premiere:20.01.2012 (UA)Regie:Amina Gusner

Tanzstundenatmosphäre. Weiblein auf Stühlen links, Männlein rechts. Dazwischen ein herrisch-durchgeknallter Tanzlehrer (Rüdiger Rudolph), der seine Schäfchen in die richtigen Posen zwingen will, sie aber auch mal anblafft wie ein frustrierter Fußballtrainer seine lahmen Jungs. Das ist eine Grundsituation, in die das Theaterprojekt „Puzzle Babylon“ immer mal wieder zurückkehrt. Schauspieldirektorin Amina Gusner und Dramaturgin Anne-Sylvie König haben für zwölf Schauspieler einen Text geschrieben, in dem es um die sieben Todsünden der modernen Zeit gehen soll: Ignoranz, Einsamkeit, Leistungsdruck, Mobbing und natürlich ist alles irgendwie mit der (bösen) kapitalistischen Welt verbunden.

Dafür hat Johannes Zacher ins Geraer Große Haus ein Gestänge auf die Bühne gestellt (Achtung, Turmbau!), auf dessen Leinwandrollos anfangs steigendes Wasser projiziert wird, das aber vor allem Ort der beiden Musiker (Olav Kröger, Klavier und Raphael Biel, Gitarre) ist, die den 90minütigen Abend mal mit hingetupften Klängen, mal mit harten Rhythmen begleiten. Vor diesem Turmrumpf gehen die Schauspieler anfangs mit Handy-am-Ohr-Geste umher, kurz drauf sind sie alle mit Rollkoffern unterwegs zu Videos von Großstadtverkehr. Man ist also in der heutigen Zeit, telefoniert mit dem lieben Gott, der aber auch nicht helfen kann. Und landet schließlich in der Tanzstunde, wo sich zunächst alle („Hallo erstmal“) vorstellen, um möglichst cool die eigenen Schwächen zu überdecken.

Die eine (Mechthild Scrobanita) hofft kichernd, vielleicht noch jemand kennenzulernen, die andere (Anne Keßler)diskutiert mit ihrem Partner auf Zeit, wer beim Walzer führen soll, schließlich sei sie eine berufstätige, alleinerziehende Mutter. So wie hier bleiben die Szenen für fünf Schauspielerinnen und sieben Schauspieler immer mal wieder im Klischee hängen, so auch, wenn die Männer sich in Computerchinesisch unterhalten und sich der älteste unter ihnen (Peter Prautsch) als Brieftaubenzüchter und „begeisterter Offliner“ outet. Es bleibt oft beim betroffenen „Gut, dass wir drüber geredet haben“-Ton, ob es nun ums Betrogenwerden, Atemübungen oder die Anstrengung geht, den Abstand zwischen den Menschen zu überwinden.

In den Szenen, die „Gemeinsam einsam“, „Walzer“ oder „Steh auf und wandle“ heißen, dürfen die Darsteller laut Programmheft den Text „frei behandeln“ und prompt flicht einer „Wulff“ ein. Alles hat irgendwie mit allem zu tun und gerne reden alle durcheinander, aha, die babylonische Sprachverwirrung. „Puzzle Babylon“ nennen die Autorinnen ihre Szenenfolge, doch bei einem Puzzle hat jedes Teil seinen vorgegebenen Platz, hier jedoch scheint alles willkürlich, eine Nummernrevue ohne zwingenden, inneren Zusammenhang. Und die sieben Todsünden bleiben Behauptung – außer der der Beliebigkeit.