Leonardo Vinci (1690-1730) hat seine Arienperlen eben zu einer perfekt sitzenden, nie langweilenden oder durchhängenden Kette aufgefädelt. Da ist jeder mal dran. Da dominieren Temperament und Bravour. Das ist Sängerfutter vom Feinsten und klingt eh alles durchweg nach einem wirkungssicheren Best-off. Dafür sorgen vor allem Jörg Halubek und das mit barockem Feeling verblüffende Staatsorchester Kassel.
Regisseurin Sonja Trebes und ihr Team (Bühne: Dirk Becker, Kostüme Isabell Heinke) erzählen die Geschichte um den Sohn des gerade ermordeten Xerxes so klar und nachvollziehbar wie das bei einem TV-Soap tauglichen Metastasio-Libretto halt geht. Zwischen eher unverbindlichem Historisieren und Psychologisieren (mit Traumsequenzen und inneren Stimmen aus dem Off) changiert die Szene zwischen politischer Arena und Irrenhaus. Wobei diese Anfangsidee am Ende nicht wieder aufgenommen wird und die weißen Kittel Episode bleiben. Macht aber nichts. Denn was da vor dem wuchtigen Halbrund einer aus beweglichen Mauerblöcken unter dem gestylten „X“-Logo (es geht um den Mord an und den Thron von Xerxes) auf den Spielflächen und Laufstegen abgeht, die im wahrsten Wortsinn vom Orchester umspült werden, ist durchweg packend.
In Kassel begnügt man sich mit „nur“ einem Countertenor. Der Ukrainer Yuriy Mynenko, (in Köln war er als Megabise mit dabei) bewältigt jetzt die Titelpartie so kraftvoll wie virtuos! In der Melange aus politischen Machtkämpfen und Liebesintrigen wird zwar nicht immer so ganz klar, ob gerade weibliche oder männliche Rollen das Verhalten der Akteure bestimmen, aber zumindest scheiden sich die Guten, wie die zu Unrecht beschuldigte Arabace (Lin Lin Fun agiert hier hochsouverän als Mädchen, das als Mann verkleidet ist) und Artaserses Freundin Semira (Ani Yorentz), bald von den Bösen. Die werden vom Vater von Arbace und Semira, dem Xerxes-Mörder Artabano (geschmeidig: Bassem Alkhouri) und seinem Spezi Megabise (hier bei Inna Kalinina, eine Frau mit Feldherrenformat) angeführt. Artaserses Schwester Mandane (Maren Engelhardt) schwebt da irgendwo dazwischen, warum soll es auch übersichtlich bleiben.
Zum Ende hin wird das Ganze zwar immer traumabsurder – geht aber doch einigermaßen gut aus. Jubel für Vinci und seine Interpreten. Allesamt!