Große Distanz
Die Truppe auf der Bühne spielt derweil, während es erzählt wird, das Leben der Anne Beaumanoir nach, die sich wieder und wieder gegen Ungerechtigkeiten wendet – von der Bretagne nach Paris, von Paris nach Marseille, von Marseille nach Algiers, von Algiers nach Tunis – mit immer wieder wechselnden Rollen, mit dem ein oder anderen Lied dazwischen. Währenddessen wird auf der Bühne zuerst ein halb offener, dann ein komplett geschlossener Konzertpavillon in klassischer Oktagon-Form herangerollt und zusammengebaut, denn schließlich braucht die Schaustellertruppe auch etwas, auf dem sie erzählen und musizieren kann.
Stück für Stück erweist sich die Inszenierung dann als repetitiv: Zwar ist der zweite der Teil der zweistündigen Inszenierung, in dem es nicht mehr um die Résistance geht, sondern um den algerischen Unabhängigkeitskrieg ein wenig spannender, einfach, weil das Thema weniger oft aufgerollt wird. Dennoch wird hier eben nichts anderes als die immer wiederholte Heldinnenverehrung betrieben, die – gerechtfertigt oder ungerechtfertigt – im Laufe der Inszenierung wenig Neues anzubieten hat außer eben andere Schauplätze.
Die Form des nachträglich vorgetragenen Versepos hilft dabei kaum weiter, sondern schafft – so charmant die Sprache auch sein kann – eine große Distanz zwischen den erzählten Ereignissen und dem Bühnengeschehen, sodass die eigentliche Geschichte in der stellenweisen durchaus witzig inszenierten Erzählung manchmal geradezu um Aufmerksamkeit ringen muss. Zu sehr drängen Text und Inszenierung sich in den Vordergrund.
Das ist umso bedauerlicher, weil „Annette, ein Heldinnenepos“ durchaus eine feministische Komponente hat: Schließlich gibt es nur sehr wenige, bis gar keine Versepen, in denen es um Heldinnentaten geht – welche mit Heldentaten dagegen gibt es reichlich. Und auch wenn die Inszenierung am Schauspiel Hannover geeignet ist, zumindest in dieser Hinsicht ein wenig ausgleichend zu wirken, scheint die Form (zumindest für die Bühne) ihre Grenzen zu haben.