Aufführungsfoto von „Das Glück ist eine Orange. Sinalco - das Musical!“ am Landestheater Detmold. Eine Frau im gelben Kleid hält eine Sinalcoflasche in den Händen und geht singend im Kreuzschritt über die Bühne. Im Hintergrund recken drei Tänzer:innen in gelber Kleidung und einem roten Sinalco-Logo auf der Brust, gelbe Schirme in die Höhe.

Gelbe Limo made in Detmold

Thomas Zaufke: Das Glück ist eine Orange. Sinalco – Das Musical! Eine Detmolder Geschichte

Theater:Landestheater Detmold, Premiere:24.10.2025 (UA)Regie:Peter Lund Musikalische Leitung:Mathias Mönius Komponist(in):Thomas Zaufke

Das Landestheater Detmold bringt mit „Das Glück ist eine Orange. Sinalco – Das Musical“ bewegende und limonadige Lokalkoloritgeschichte auf die Bühne. Die Qualität der Uraufführung von Thomas Zaufke und Peter Lund liegt im Timing und in der Menschlichkeit der gezeichneten Figuren.

„Mag immer das Glück eine Orange sein, so ist es doch nicht minder eine Apfelsine“. So liefert die Orange einen griffigen Titel für das in Detmold aus der Taufe gehobenen Musicals über die Firmengeschichte der dort beheimateten Kultbrause. Allerdings ist die Apfelsine sangbarer und versorgt Texter Peter Lund mit der nötigen Silbenzahl für den Showstopper der Uraufführung. Auf die kann Komponist Thomas Zaufke einen Marsch in der Manier und Hitqualität des Comedian-Harmonists-Evergreens „Das ist die Liebe der Matrosen“ in Noten setzen.

Internationale Erfolgsstory

Im Freigeist und der Heiterkeit der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts stieg Sinalco zu Deutschlands meistverkaufter Limonade auf und erschloss sich den internationalen Markt. Die Erfolgsstory hielt, während nationalsozialistischer Ungeist das Betriebsklima vergiftete, an. Zaufke und Lund nehmen da kein Blatt vor den Mund. Bald ist der hochkompetente und der Belegschaft in aufrichtiger Menschlichkeit zugewandte Direktor Carl Vogel aus seiner Position entfernt – einzig seiner jüdischen Religion halber.

An Stelle des Geschassten tritt das eingefleischte Parteimitglied Gustav Hardorp (Thorsten Tinney). Konsequent setzt der neue Chef das Führerprinzip in der Limonadenfabrik durch. Seine Stenotypistin Anneliese Stratmann (Franziska Pfalzgraf) lässt sich von ihm instrumentalisieren und horcht die Belegschaft aus. Pech nur, dass sie sich in den homophilen Marketing-Chef Michael Brandt (Patrik Cieslik) verliebt. Wenn er sich aus Furcht vor Denunziation zum Rendezvous mit ihr verabredet, er sich zu Weiterem aber nicht überwinden kann und sie stehen lässt, so weckt die prekäre Situation Sympathie für beide. Eine entscheidende Qualität des Werks: Nie missraten die Figuren zu Abziehbildern, immer bleiben sie Menschen.

Szenenfoto aus „Das Glück ist eine Orange“ am Landestheater Detmold von Thomas Zaufke und Peter Lund. Ein Mann im dunklen Anzug geht hinter einer Frau entlang und beäugt sie dabei. Sie trägt eine rote kurzärmelige Bluse und eine blaue Stoffhose und wendet sich skeptisch von ihm ab.

Die Zweifel am Firmenpatriarchen wachsen: „Das Glück ist eine Orange“ am Landestheater Detmold. V. l. n. r.: Thorsten Tinney, Sandra Leitner. Foto: Landestheater Detmold / Jochen Quast

Weibliche Emanzipation

Erst recht gilt das für die aus ganz anderem Holz als die Aushorcherin geschnitzte Franziska Hinkler (Sandra Leitner). Auch sie eine junge Frau – doch Kind der Nachkriegszeit. Die neue Sinalco-Mitarbeiterin zeigt sich, vom gescheiten Hirn bis in die Zehenspitzen, zugleich empathisch und cool. Auch sie verliebt sich, wie Spitzel Stratmann, in Marketing-Chef Brandt. Doch bedeutet ihr seine Präferenz für Männer keine Katastrophe. Frustrationstolerant, optimistisch und offenen Wesens vertraut sie sich künftigen Optionen an: Denn auch vom, zunächst als Vaterfigur verehrten, aber fortschreitend hinterfragten, Direktor Gustav Hardorp gelingt ihr die Emanzipation. Zumal immer wieder der einstige braune Betriebsführer aus dem sich gefallenden Firmenpatriarch hervorlugt – trotz Entnazifizierungsverfahren.

Für all dies ersinnen Zaufke und Lund überzeugende Lösungen. Oft verschränken sich die Zeitebenen des nationalsozialistischen Totalitarismus und der Adenauerjahre.

Vertrautheit mit den Figuren

Librettist Peter Lund erzählt als sein eigener Regisseur prägnant und aus intimer Kenntnis der Personage. Die Vorzüge des Ensembles nimmt er auf, um die Persönlichkeit der Figuren zu intensivieren. Die Unterschiede der beiden jungen Frauen modelliert Lund heraus, ohne das Verbindende ihrer Liebe zum Marketing-Chef zu kappen.

Perfekt ist das Timing im Wechsel von kammerspielhaften Szenen und Showbiz. Letzteres steigert Bart De Clercqs Choreografie zu mitreißendem Unterhaltungstheater. Auf einem riesigen Foto in Schwarzweiß führt Ulrike Reinhards Bühne in die Detmolder Sinalco-Werkshalle. Daria Kornysheva kontrastiert die beiden weiblichen Hauptfiguren modisch im zeittypischen Stil der vierziger Jahre und des zweiten Nachkriegsjahrzehnts; während die Garderobe der Herren aus der Führungsetage in alten Gewohnheiten stecken bleibt.

Musicalkompetenz

Die Detmolder beweisen ihre Musicalkompetenz: Mathias Mönius trifft mit dem Symphonischen Orchester des Landestheaters gleichermaßen die lyrischen wie die auf die große Show zielenden Seiten der Partitur. Sandra Leitner verkörpert eine unsentimentale und fortschreitend an Selbstbewusstsein gewinnende Franziska Hinkler. Der spitzelnden Anneliese Stratmann leiht Franziska Pfalzgraf ihren bildschönen Mezzosopran. Thorsten Tinney gibt den herrischen und letztlich unbelehrbaren Altnazi Gustav Hardorp. Brigitte Bauma holt den Saal als burschikose Vorarbeiterin Emma Puhlmann.