Ensemble-Szene aus „Gedanken Eines Zweiflers“ in Gelsenkirchen.

Der Tod ist groß

Bernd Schindowski: Gedanken eines Zweiflers

Theater:Musiktheater im Revier, Premiere:26.02.2011Musikalische Leitung:Johannes KlumppKomponist(in):Dmitrij Schostakowitsch

Gustave Flaubert war gerade mal 17 Jahre alt, als er 1838 seine „Gedanken eines Zweiflers“ zu Papier brachte. Dmitrij Schostakowitsch komponierte seine 14. Sinfonie 63-jährig, todkrank, 1969 als „Oratorium für Kammerorchester, Sopran und Bass“ auf Gedichte von Apollinaire, García Lorca und Rilke („Der Tod ist groß. Wir sind die Seinen“). Bernd Schindowski stellt die ungestüm verzweifelten, bildreich poetischen Texte des Franzosen der altersweisen, todesschwangeren Musik des Russen gegenüber und durchwebt sie mit einer Choreografie, in die er die beiden Opernsänger (grandios: Andreas Macco, Majken Bjerno,) und die Rezitatorin (Jule Gartzke) mit den Tänzern gemeinsam agieren oder auch von Tänzern doubeln lässt.

Die Stimme der Sprecherin kommt anfangs vom Band. Fast unbemerkt flaniert Gartzke dann zwischen Bühnenrampe und Parkett, mischt sich unter das bunte, barfüßig tanzende Jungvolk auf der hellen Bühne. Gartzke spricht die archaischen, grauslich-düsteren Lebenskampf- und Todesallegorien mit heller Märchenstimme. Praktisch übergangslos vollzieht sich der Wechsel vom Text zur Musik. Auf der erhöhten Hinterbühne wird die vorzüglich spielende Neue Philharmonie Westfalen unter Johannes Klumpp sichtbar. Jäh kippt die Stimmung vom jugendlichen Aufbäumen gegen die Vergeblichkeit menschlichen Tuns zur todtraurigen, tiefschwarzen Alters-Ergebenheit.

Schindowski zeigt mit dieser letzten großen Choreografie im Großen Haus, bevor er das Musiktheater im Revier nach 32 Spielzeiten verlässt, ein typisches Werk: Als erster deutscher Choreograf hatte er vor Jahren schon Jean Genets Essay „Das kriminelle Kind“ völlig ohne Musik choreografiert. In „Winterreise“ und „Verklärte Nacht“ umtanzte sein Ensemble die Sänger ebenso dezent wie stimmig. Diesmal bleibt der Tanz der kleinen Compagnie zu stereotyp. Zu wenig konkret werden die Figuren und Emotionen sichtbar, die Flaubert so drastisch und plastisch beschreibt, nur selten spürbar die anrührenden Stimmungen zwischen Trauer, Todesangst, Verzweiflung und Ruhe, die Schostakowitsch komponiert.