So weit, so stimmig der Einstieg in das 90-minütige Live-Hörspiel mit Schauspieleinlagen und Musik. Zwei Sprecherkabinen, ein Flügel und ein Sofa bemöbeln die Bühne, daneben einige Requisiten und Utensilien für das Geräuschemachen. Ist vom Klang des Hinterhofs die Rede, bittet die Aufnahmeleiterin (Schlagzeugerin Bärbel Schwarz) um „Atmo“ – und die Ensemblemitglieder öffnen die Fenster zum Hof. Ein Mofa knattert durch den Berliner Abend.
Auf dem Flügel intoniert Panagiotis Iliopoulos Schuberts „Wanderer-Fantasie“ (1822). Als musikalischer Topos für das Fernweh wird sie vom Ensemble mit Cello, Saxofon, Schlagzeug, Marimba und Stimme im Laufe des Abends immer wieder zitiert, wird transformiert und mit Spieltechniken und Klangfarben der Neuen Musik konfrontiert. Weiteres Material sind dem Komponisten Bauer drei Lieder aus dem Zyklus „Apparition“ (1979) von George Crumb, live interpretiert von der Sopranistin Yuka Yanagihara, und die 12-Ton-Reihe aus Leonard Rosenmans Filmmusik zum Sci-Fi-Klassiker „Fantastic Voyage“ (1966). Der Eklektizismus funktioniert als musikalisches Kompositions- wie als inszenatorisches Montageprinzip recht gut. In einer ironisch inspirierten Audiocollage wirbeln Bahnhofsansagen, Jingles, Musikfetzen sowie komödiantische Fehlübersetzungen aus dem Japanischen und Finnischen durcheinander bis zum Schwindel. Hier hebt der Abend federnd ab. Doch textlich verheddern sich die Fäden. Mit zu vielen Assoziationen und Zitaten ist die Aufführung überfrachtet. Sie thematisiert das Fernweh als Suche nach dem eigenen Platz in der Welt; die Grenze zwischen Innen und Außen – Wände, die (semi)permeable Haut, das ethnisch wie biologisch Fremde; den Clash der Kulturen und den Menschen als Wimmelwesen aus Bakterien, Pilzen, Viren.
Mit einem abrupten Genrewechsel wird dieser thematische Knoten durchschlagen. Die neugierigen Nachbarn sorgen sich um Stubenhocker und treten ihm schließlich die Türe ein. Ihr Stubi entpuppt sich als pappener Lockvogel, seine Wohnung als Falle – und die Hausgenossen sehen sich als Besatzung eines U-Boots rekrutiert, das für eine medizinische Mission im Körperinneren auf Mikrobengröße geschrumpft wird: eine Hommage an „Die Fantastische Reise“. Schön ist es anzuschauen, wie die nun retro-futuristisch weiß gekleideten Performer aus der beleuchteten Kabine starren, ins Schwarz, durch das bunt projizierte Blutpartikel treiben. Doch dass die ganze Welt auch in den Geräuschen eines Hinterhofs geborgen liegt und man weder beliebig ins allzu Ferne noch mikroskopisch Nahe schweifen muss, hat sich Hermann Bohlen eigentlich selbst in den Text geschrieben. Es bleibt eine Idee unter vielen.
Einmal nimmt der “Klangmeier” (Dutschke) das Brodeln der Espressokanne mit dem Mikrofon ab. Elektronisch verstärkt, verfremdet sich das Alltagsgeräusch zu etwas Unerhörtem, und das vermeintlich Nahe löst ein Fernweh aus, das die Inszenierung sonst nur behauptet.