Natürlich ist es das Stück zum richtigen Zeitpunkt: Während in Berlin Horst Seehofer dickschädelig eine Studie zu rechtsextremen Tendenzen in der Polizei verweigert, während in den USA Schwarze von weißen Polizeibeamten mit brutaler Gewalt getötet werden und „racial profiling“ auch von deutschen Beamten hinterfragt wird, hat sich Björn SC Deigner den institutionellen langen Arm der Staatsgewalt fürs Theater vorgenommen. Doch hechelnde Aktualisierung ist seine Sache nicht: Das Auftragsstück des E.T.A.-Hoffmann-Theaters Bamberg war schon vor den aktuellen Diskussionen fertig, und das ist in diesem Fall gut so. Denn Deigner beginnt ganz von vorn, bei Schiller und der „Polizey“ von Paris.
Ein paar Entwürfe sind es nur, die Schiller bis 1804 geschrieben hat. Paris, der Großstadt-Moloch, der dem Rest Europas nicht nur den Glanz, sondern auch das Chaos, das Ungeregelte voraushatte, erfindet die Institution der Ordnungshüter im Auftrag der Obrigkeit, rekrutiert aus zwielichtigen Gestalten mit Militärerfahrung. Schiller hinterfragt die Mechanismen der Machtausübung, die unweigerlich auch mit Gewalt einhergeht. Hellsichtig stellt er fest: „Die Bosheit kann sie zum Werkzeug brauchen, der Unschuldige kann durch sie leiden, sie ist oft genötigt, schlimme Werkzeuge zu gebrauchen.“ Korpsgeist und Befehlsgehorsam gehören dazu. Deigner, dessen Stück „Der Reichskanzler von Atlantis“ 2019 beim Heidelberger Stückemarkt vertreten war (unsere Kritik zur Bamberger Uraufführung: hier), hat für seine Fortführung dieses Gedankens weiter in der Geschichte gewühlt, bis ins Heute.