Welch‘ Glück, wenn man sein Höckerchen gleich zu Beginn an der richtigen Stelle in der diesmal vollständig bespielten, lang gestreckten (ehemaligen) Reithalle an der Heßstraße platziert. Denn an diesem dritten Abend der Festspiel-Werkstatt der Bayerischen Staatsoper findet vieles simultan statt. Also ist ein guter Blick auf den zentralen „Motel Room“ mit nur angedeuteten Wänden wichtig, in dem „Der Liebende“ anfangs schläft und in den er immer wieder zurückkehrt. Aber gut ist auch die Nähe zu einzelnen Nebenschauplätzen wie einem Studentenzimmer im Retro-Look, das allmählich von der „Liebenden“ möbliert und zu ihrem Refugium wird, oder die Andeutung von Räumen, in denen der „Vater“ stirbt oder die „Mutter“ Gemüse schnippelt, auch wenn vier große Leinwände manchmal Einblicke in die jeweils nicht einsehbaren Schauplätze bieten. Das Wohnzimmer, in dem „Was bin ich?“ am 70er-Jahre-Fernseher läuft oder das Kinderzimmer, in dem „der Liebende“ als kleiner Junge autistisch eine Puppe rhythmisch auf den Boden schlägt, wahlweise auch mit ihm als seinem eigenen Sohn Eisenbahn spielt, sind am anderen Ende der Halle aufgebaut, aber eigentlich auch weniger wichtig (Bühne und Kostüme: Ric Schachtebeck).
Nikolaus Brass hat sich für die beiden Teile seines pausenlos 90 Minuten dauernden Musiktheaters vor allem der Gedichte des Schweden Tomas Tranströmer bedient und daraus das Psychogramm eines Mannes gebastelt, der sich mit seiner unbewältigten Vergangenheit konfrontiert sieht und mit Begegnungen, die ihn nicht loslassen. Am Ende ist ein Moment erreicht, an dem er sich seines „Schattens“ (in Gestalt eines mephistophelisch züngelnden und tänzelnden Countertenors) aber auch seines jungen Ichs entledigt hat, nun, angezogen, entspannt rauchend auf dem Bett des Motelzimmers liegt und der Dinge harrt, die da kommen werden. Oder auch nicht. Hellsichtig kryptisch beendet „Die Liebende“ den Epilog mit den Worten „Es ist sein Leben, es ist sein Labyrinth.“