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Celebration

Angela Richter: Kippenberger!

Theater:Schauspiel Köln, Premiere:11.10.2013 (UA)Regie:Angela Richter

Martin Kippenberger muss eine vielschichtige Persönlichkeit gewesen sein. Obgleich sein Dasein als Provokateur zweifellos bestimmend war, bleibt diese Art doch bloß eine der vielen Facetten jenes Künstlers, den Angela Richter in ihrer Uraufführung am Kölner Schauspiel ins Zentrum gestellt hat. Die zugleich einfachste und variantenreichste Form der Annäherung an eine derart multiple Figur ist die Verteilung auf verschiedene Darsteller: Gleich fünf Schauspieler mimen den Exzess-Künstler bei Angela Richter. Zusätzlich stellen sie jene Ex-Weggefährten Kippenbergers dar, aus deren Berichten das Stück entstand: Es ist ein vielfarbiges Mosaik der Erinnerungen von Edek Bartz, Ben Becker, Gisela Stelly Augstein und vielen anderen, zusammenhalten durch das, was auch das Image Kippenberges ausmachte: eine Aneinanderreihung öffentlich inszenierter Exzesse. Viel Rauch zieht durch die Spielstätte „Depot 2“, denn natürlich hat Kippenberger noch überall gequarzt, dazu immer wieder exzentrische Ausgelassenheit, im Wechsel mit zum Teil ausgiebig ruhiger Berichterstattung.

Nun ist es aber weniger der Trotz gegen das Establishment, der hier fokussiert wird, – allein dies wäre ja auch kein Alleinstellungsmerkmal Kippenbergers – als viel mehr die treibenden Kräfte seines Tuns. Es ist ein auf den ersten Blick psychologisches Herantreten an den Menschen, das abseits seiner gegenständlichen Kunst seinen Lebensstil in den Blick nimmt. Angela Richter vermeidet es hierbei aber glücklicherweise konsequent, sein wahres Inneres erforschen zu wollen. Dass jemand, der sich selbst zu Lebzeiten zum Mythos stilisierte, auf diese Art nicht zu greifen ist, liegt auf der Hand. Eine Kindheitserinnerung Kippenbergers, welche er später als äußerst prägendes Erlebnis geschildert haben muss – er habe Gottes Stimme nach einer Schulhof-Prügelei gehört – , mäandert in der Wiederholung zur dezent lächerlichen Story. Mit Freud kann man Kippenberger nicht begegnen. In einem Bühnenbild mit verschiebbaren Leinwänden, bedruckt mit Bildern von Orten aus Kippenbergers Vergangenheit – die Buchhandlung „Walther König“ in Köln zum Beispiel – wird die Bühne zum lebensechten Atelier. Multimedia trifft Gemälde, trifft Darstellende Kunst, Film und Foto (Raum: Christian Jankowski). Angela Richter, die das Crossover-Terrain zwischen Performance, Schauspiel und Bildender Kunst ja gern auslotet, weitet das Dokumentarische ins Fiktive aus und zimmert ihm ein Kunstwerk auf die Bühne, das ihn gleichsam spiegelt und behutsam hinterfragt.

Ein zart ironisches Licht umgibt auch die Personen, die Kippenberger begleiteten – ohne dass sie der Lächerlichkeit zum Opfer fallen: Zwar sonnt sich der eine oder andere auch darin, Teil der Kippenberger-Familie gewesen zu sein. Neben den exzessiven schweben aber immer wieder auch ernste Anekdoten heran: Leid und Krankheit und der frühe Tod werden dramaturgisch mit gebührender Achtung einbezogen. Das adäquat zusammengestellte Ensemble spürt dabei den Figuren äußerst unterhaltend und differenziert nach. Und obwohl Köln nur eine seiner Bühnen war, scheint diese Kippenberger’sche Epoche austauschbar zu sein. Wie überall suchte er auch hier am Rhein narzisstisch nach Anerkennung, unermüdlich und zu jeder Tageszeit danach strebend, den Alltag zur Kunst und sich selbst zum Objekt zu formen. So ist das Stück der Stadt einerseits auf den Leib geschrieben, sucht andererseits aber auch den Bezug zu anderen Stationen seines Lebens. Natürlich blickt hier auch ein neues Regieteam der Stadt zur Begrüßung ins Gesicht – jedoch, wenn es zum Beispiel um die kölsche Sprache geht, nicht ohne ein Augenzwinkern. Das dürfte den Kölnern gefallen. Und wenn auch in diesem Arrangement der Impressionen die Pointe möglicherweise fehlt, ist doch zu fragen, ob diese hier überhaupt erforderlich ist, wenn die Figur Kippenberger letztlich selbst als Brennpunkt fungiert.