Was hat eine über achtzig Jahre alte Geschichte wie „Vom Winde verweht“ eigentlich mit unserer Gegenwart zu tun? Gerade von Europa aus kann es ja leicht fallen, den Kolonialismus und die Sklaverei als Problem der amerikanischen Geschichte abzutun, auch die alte Schmonzette selbst ist doch in unserem Alltag kaum relevant – doch ist das wirklich so? Die Diskussionen um den in Buch und Film transportierten Rassismus sind gemessen am Alter derselben erschreckend jung – und der Publikumserfolg bekanntermaßen über viele Jahrzehnte ungebrochen. Selbst, als die Debatte um den Film und die Buchvorlage im letzten Jahr anlässlich der Black-Lives-Matter-Bewegung so richtig in Gang kam und HBO den Film (vorläufig) aus dem Streaming-Programm nahm (um ihn kurze Zeit später, mit Warnhinweisen versehen, wieder zugänglich zu machen), fanden Roman und Verfilmung bei Amazon binnen kürzester Zeit reißenden Absatz.
Anlass für Monika Gintersdorfer, Franck Edmond Yao und ihr transnationales La Fleur-Team aus der Elfenbeinküste, Frankreich, den USA und Deutschland, die Vorlage im Rahmen des digitalen Projekts „Sturmtief O’Hara“ für das Theater Oberhausen auf kritisch-künstlerische Weise zu durchleuchten. Die Geschichte selbst wird konsequenterweise nicht reproduziert, vielmehr arbeitet sich das Team in unterschiedlichsten Sequenzen daran ab, die Motive derselben zu hinterfragen, zu verfremden und zu diskutieren, und bewegt sich dabei durch die verschiedensten Räume des Theaters und diverse Außenschauplätze. „Diskursiver Tanzfilm“ lautet denn auch das treffliche Etikett des Theaters für eine Inszenierung, die zwar leider etwas weniger Tanz, dafür aber einen größeren Erkenntnisgewinn bereit hält als eben diese Ankündigung erwarten lässt.