Das Publikum sitzt auf insgesamt vier Tribünen und blickt auf ein mit Neonröhren abgezirkeltes Viereck, in dem sich anfangs sehr wenig, später dann fast zu viel abspielt. Die bald 70-jährige Angela Winkler energetisiert die Spielfläche als zuckendes, kindliches Wesen wie von anderem Stern, sie wird häufig von einem älteren Mann im schwarzen Glitzeranzug verfolgt. Robert Wilson verkörpert ihn mit ruckelnden Bewegungen und gespreizten Fingern. Was die beiden genau verbindet, bleibt dunkel. Allmählich kommen seltsame Gegenstände hinzu, ein brennender Stuhl, ein hell erleuchtetes Fenster im Bühnenboden, ein kleiner, dampfender Eisberg, Wasser, Felsbrocken. Bühnenarbeiter bringen Holzbänke oder Stege herein, auf letzteren begegnet sich das eigenartige (Anti-)Paar kurzzeitig. Einmal hüllt sich Wilson in einen riesigen Pelzmantel und hat Eisblöcke in Handtaschenform dabei.
Vor allem die Umbauszenen geraten unfreiwillig komisch, da die Möbelpacker ebenfalls stilisiert agieren müssen und ihre Aufgaben eher unbeholfen ausführen. Gegen Ende herrscht auf der engen Fläche dann fast kein Platz mehr, Statisten schleichen in waberndem Nebel umher, dann schwebt eine Schaukel vom Himmel, auf der ein junges Mädchen Platz nimmt. Nicht nur an dieser Stelle wird das Ganze geradezu erschreckend kulinarisch – und kitschig. Hinzu kommt, dass Wilsons penibel ausgeklügeltes Gestenrepertoire ausgerechnet bei ihm nicht immer präzise ist. Winkler besticht dagegen durch enorme Präsenz und gestaltet das berühmte Stück im Stück „Zwei Gefühle“, auf einen Text von Leonardo da Vinci, fulminant. Helmut Lachenmann komponierte neben einer komplexen, geräuschhaften Raummusik mit hereinwehenden Zitaten einschlägiger Werke von Beethoven über Boulez bis zu Schlagern auch Handlungsbruchstücke, er verschaltet das bekannte Andersen-Märchen mit gesellschaftskritischen Gedanken der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin. Doch die Textsplitter gehen in Wilsons Bühnenästhetizismus völlig unter.
Die Instrumentalisten (das hr-Sinfonieorchester unter Emilio Pomàrico), Choristen (ChorWerk Ruhr) und Sänger sind auf einer hohen, umlaufenden Galerie positioniert, was interessante Effekte ermöglicht, aber auch akustische Tücken hat. Beim Orchester treten mehrfach deutliche dynamische Schwächen hervor. Verlieben muss man sich allerdings in Mayumi Miyata, die auf einem im Raum hängenden Stühlchen mit rotem Brokatwurf die schwierigen Partien auf der japanischen Mundorgel Sho (bis auf einen Einsatz) brillant bewältigt.
Insgesamt ist Wilsons Arbeit sowohl zu komplex (was die inneren Bezüge betrifft) als auch völlig unterkomplex (was den Umgang mit der Vorlage angeht). Als sinnliches Gesamterlebnis überzeugt diese erst zögerlich, dann heftig beklatschte Premiere letztlich aber doch.