Eliabeth Hütter spielt die Heidi. Staunend schaut sie auf ihr Leben, lässt sich voll emotional auf ihre Rolle ein. Leitmotivisch spielt sie das Pochen in den Schläfen, das jeweils den Gewaltaktionen vorangeht, aus: Man kann zuschauen, wie sich da etwas aufstaut, der Kontrolle entgleitet und in körperliche Aggressivität umschlägt, wie diese Erfahrung zugleich Lust und Angst auslöst. Hütter kann dabei blitzschnell vom naiven Staunen in Wutausbrüche umschalten, um im nächsten Augenblick wieder ein schüchternes Lächeln aufzusetzen. Tim Weckenbrock spielt den Felix, als der er sich auch einführt; er ist laut, aber auch witzig und spielt mit wenigen andeutenden Gesten auch andere Rollen wie die Großmutter. Das macht er überzeugend und spielt sich so aus der Funktion des bloßen Stichwortgebers heraus. Er arbeitet an seiner Figur des Felix auch sehr genau heraus, dass er eigentlich mit anderen Werten als Heidi aufgewachsen ist, die nicht ohne Folgen geblieben sind: Er steht immer ein wenig über der Sache, entweder übertreibend laut oder süffisant lächelnd. Im Zusammenspiel zwischen Hütter und Weckenbrock entsteht so eine Leichtigkeit, die den Zuschauer mit auf die Reise in diese Welt nimmt.
Mirko Böttcher gelingt es, in seiner Regie nicht aufdringlich zu moralisieren, sondern einfach Vorgänge zu zeigen. Er vermeidet darüber hinaus jeglichen Naturalismus, aggressive Szenen werden angedeutet, aber nicht ausgespielt. Auch die Musikeinspielungen (Musik: Alexandra Holtsch) bleiben dezent, zumeist werden nur ein paar Takte angespielt, um eine Situation anzudeuten, oder es sind im Hintergrund leise Töne zu hören, die der jeweiligen Szene eine eigene Farbe geben. Ein tolles Angebot, sich auf spielerische Weise ohne ausgestreckten Zeigefinger mit einem wichtigen gesellschaftlichen Thema auseinanderzusetzen. Apropos Angebot: In Memmingen gibt es bereits 27 ausverkaufte Vorstellungen. Abstecher wurden keine gebucht. Was ist da im Allgäu los?