Ein Bilderrausch, nämlich große Bilder in Versatzstücken eines weißen Hauses und teilweise irrsinnig rasch wechselnde Videos sowie Fotos und Screenshots an der Rückwand dieses Raumes auf der weiten Bühne des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, auch wilde Tanzeinlagen von Frank Willens einerseits (Bühne: Katrin Hofmann, Video: Michel Auder und Meika Dresenkamp) und zahlreiche unterschiedliche Stimmen andererseits.
Die Uraufführung von Elfriede Jelineks neuem Drama „Am Königsweg“ wird durch die Schauspiellegende Ilse Ritter eröffnet. Immer wieder wird sie mit zarter und doch klarer, melodischer Stimme für die blinde Seherin und Schriftstellerin sprechen, schließlich das Ende der Sprache verkünden: „Jetzt gehen uns auch noch die Worte aus.“ Nach dem sanften Beginn vor dem mit einer Tapete geblümten Eisernen Vorhang schlagen an einem Tisch innerhalb des weiten weißen Raumes (samt Balkonen, Raubtierattrappen und Säulen) Matti Krause, Anne Müller, Tilman Strauß, Julia Wieninger und Frank Willens ganz andere Töne an, indem sie in Mikrofone chorisch vom neuen König berichten; an der Rampe aufgebaut wird dann der Text zur Rap-Vorlage vor stark ryhthmischer elektronischer Musik (Matthias Grübel). Auch musikalisch bietet die dreieinhalbstündige Inszenierung zahlreiche ganz unterschiedliche Töne: Benny Claessens führt den König in einer pompösen Muscial-Arie ein; später zetert er im Bettlerkönigsgewand (Kostüme: Andy Besuch) vom Balkon der Intendantenloge „Where have all the good men gone“; auch andere besingen auf englisch die aus den Angeln geratene globale Krisenwelt. Benny Claessens, der durch sein energetisches und dabei entspanntes Spiel in einem starken Ensemble herausragt, weicht in Improvisationsszenen vom Skript ab, stellt das Spiel und sein Publikum insgesamt in Frage, sucht zwischendurch im Klischee-Kindertheaterton vergeblich (dann wieder am Stücktext) die Wahrheit auf der Bühne. Eine andere Tonlage kommt auch durch die ebenfalls den Jelinek-Text auslassenden und dabei die bildungsbürgerliche Theatersituation in Frage stellenden Einlagen der Schauspielerin und Kabarettistin Idil Baydar ins Spiel. Die „Kanakin“ im golden schimmernden Trainingsanzug stellt auf ihre direkte, konfrontierende Art Jelineks Frage: „Was ist eigentlich los mit Euch?“