Niels Bormann in "The Day Before the Last Day".

Bekehraus

Yael Ronen: The Day Before the Last Day

Theater:Schaubühne, Premiere:01.09.2011 (UA)Regie:Yael Ronen

Eine internationale Produktion: Die Schaubühne, das Habima National Theater und die Comédie de Reims arbeiten zusammen, die Kulturstiftung des Bundes finanziert mit. Kein Wunder, dass die Premiere kulturprominent bestückt ist. Auf die zweite Arbeit von Yael Ronen & The Company ist jeder gespannt, der ihre bös-komische „Dritte Generation“ gesehen hat – persönlich-politische Reflexionen der dritten Generation nach dem Holocaust.

Einleitende Worte der israelischen Regisseurin: Man freue sich über die Kooperation, übersetzt die Dolmetscherin, es folge der Vortrag: „Wird uns Religion zum nächsten – äh, nein – Jüngsten Gericht bringen…“ Ein kalkulierter Versprecher? Schon ist man mittendrin im Spiel. Eine punktgenaue Wendung jagt die nächste: Der jüdische Zukunftsforscher braucht Hilfe bei seiner Präsentation, so dass Niels Bormann tollpatschig die Technik zerstört, einen Stromschlag und im Nahtoderlebnis eine göttliche Mission abkriegt: Vereine die Menschheit – lösche die alten Religionen aus.

Aber das ist nur einer der vielen losen Assoziationen des Rechercheprojekts „Religion“. Wie bei „Dritte Generation“ hat Ronen das Stück mit deutschen, israelischen und palästinensischen Schauspielern erarbeitet. Wird der Kampf zwischen den Religionen zum dritten Weltkrieg führen? Schwarzhumorig führt die Gruppe per Videoclips die Groteske vor, wenn alle Religionen am exklusiven Seelenheil festhalten. Um dann als Ärzte- und Versicherungsteam die passgenaue Religion anzupreisen: „Depressionen? Ich verschreibe Ihnen eine Religion!“ „Pope & more“ wirbt mit dem garantierten Weg aus der Hölle, dafür gibt es beim „exklusiven Club“ der Juden einen israelischen Pass obendrauf – „so lange das Land existiert“.

Das ist witzig, aber wohin führt es? Stärker ist der Abend, wo er persönlich konkret wird. Ein Skype-Anruf vom Vater des Palästinensers Shredy Jabarin: „Hängst du jetzt also mit Juden rum?“ Da blitzt eine Dringlichkeit auf, die dem Abend sonst fehlt. Obwohl die Inszenierung ähnliche Mittel einsetzt, erreicht sie längst nicht die Sprengkraft von „Dritte Generation“. Vielleicht, weil das Thema damals der Lebenswirklichkeit des Teams näher kam. Dasselbe könnte fürs Publikum gelten: Mit der religiösen Weltuntergangsstimmung kann es sich kaum gemeint fühlen. Die religionsskeptische Diskussion der Schauspieler ist oft komisch, aber erwartbar und beliebig. Am Ende bleibt die Rechthaberei der Missionare – das Ensemble startet zum Wettlauf um die Welt. Im Zuschauerraum jedenfalls fand die Bekehrung nicht statt.