Foto: Mohammad Kamal Alavi (Video), Amineh Arani, Roxana Ramadi © Thomas Schaekel
Text:Martina Jacobi, am 24. Oktober 2025
„In the Meantime: A Play across two Continents“ von Amineh Arani ist ein semibiografisches Stück über Künstler:innen im Exil. Die Koproduktion vom Kölner Orangerie Theater und Schauspiel Köln findet zwischen leichter Komik und tragischer Realität eine feine Balance.
„Ich habe deinen Ohrring gefunden“, sagt Mohammad Kamal Alavi im Video und hält ihn vor die Linse. Er ist in der gemeinsamen Wohnung in Teheran. Gute 3.000 Kilometer Luftlinie entfernt freut sich Partnerin Amineh Arani auf der Bühne des Orangerie Theaters in Köln und fasst sich ans Ohr zum anderen einzelnen Schmuckstück. Es ist eine einfache Geste, symbolisch für das getrennte Schauspieler:innen-Paar: Trotz räumlicher Trennung spielt es mithilfe von Zoom gemeinsam auf einer Bühne.
Während Alavi mit Ausreiseverbot in der iranischen Hauptstadt festsitzt, konnte Arani aus dem Land ausreisen. Als Castmitglied des heimlich im Iran gedrehten und u. a. Oscar-nominierten Films „Die heilige Saat des Feigenbaums“ von Mohammad Rasoulof, verließ sie wie der Regisseur und weitere Crewmitglieder das Land.
Absurdes Theater
Auf dem die Bühnen-Rückwand einnehmenden Bildschirm sieht man die vergrößerte Zoom-Ansicht des im Vordergrund stehenden Laptops. Auf der reduziert eingerichteten mit schwarzem Klebeband markierten Bühne stehen sonst nur einzelne Stühle, ein Hocker. Seitlich sind jeweils mehrere Scheinwerfer aufgereiht. Es wirkt wie ein unbequemer Warteraum.
Das gemeinsame Leben und Zuhause des Paares befindet sich in Teheran. Erinnerungen stecken in Büchern, Bildern, Möbelstücken – Videoeinspielungen unterbrechen den Zoom und zeigen Aufnahmen aus Zeiten, als das Paar noch nicht über Landesgrenzen getrennt war (Video: Shahab Kermani). Gemeinsam mit ihrem Partner überlegt Amineh Arani nun aus Köln, wie sie die neue Wohnung in Teheran einrichten wollen. Im Video zieht er den physischen und sie schiebt von der anderen Seite auf der Bühne den virtuellen Tisch in die richtige Position.

Amineh Arani, Roxana Ramadi, Mohammad Kamal Alavi (Video). Foto: Thomas Schaekel
Die Regisseur:innen Arani und Stefan Otteni schaffen mit „In the Meantime: A Play across two Continents“ mit bewusst eingebauten Anspielungen auf Samuel Becketts „Warten auf Godot“ ihre Version von absurdem Theater. Aushalten, Warten und die Sinnlosigkeit davon sind grundlegende Elemente ihrer Inszenierung. Deutlich wird das etwa durch den zeitweiligen Zoom-Freeze, bis die Internet-Verbindung wieder stabil ist. Oder durch das Durchspielen verschiedener Versionen eines in unbestimmter Zukunft stattfindenden Wiedersehens unter den Szenetiteln „zu normal“, „zu ehrlich“, oder „zu romantisch“.
Wirkungsvolle Spielelemente
Was auf der Bühne durch einfache, wirkungsvolle Spielelemente stattfindet, unterstreicht die gefühlte Absurdität einer Situation, in der ein Leben plötzlich zweigeteilt stattfindet. Gleichzeitig ist die Inszenierung selbst eine Möglichkeit, mit ungewollten Umständen und damit verbundenen Gefühlslagen umzugehen.
Arani und Otteni entscheiden sich für eine tragisch-komische Inszenierung und ein Spiel mit Theaterformen. Das „Baby“, dass Mama Amineh auch im Teheraner Zuhause zurücklassen musste, entlarvt sich als der gemeinsame Hund Marylin. Die dritte Rolle, die Übersetzerin Pol, wird von Roxana Samadi gespielt. Erst sitzt sie außerhalb der markierten Bühne und ist tatsächlich die Übersetzerin, die fürs Publikum von Farsi auf Deutsch übersetzt. Gleichzeitig hat ihre Rolle eine kommentierende und intervenierende Funktion.
Das alles ist hat weder ein Happy End noch ist es eine dystopische Zukunftsvorhersage. Es zeigt kein verzweifeltes oder utopisches Hoffen, sondern eben ein Umgang mit dem Ist-Zustand einer schweren Welt. Und darin findet die Inszenierung zwischen leichter Komik und berührend eingefangener, tragischer Realität eine feine Balance.