Petra Nadvornik und Remo Tobias

Abgefeimte Geschichte

Darius Milhaud: Le pauvre matelot - Der arme Matrose / Death Knocks

Theater:Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Premiere:02.03.2013Autor(in) der Vorlage:Woody AllenRegie:Anke RauthmannMusikalische Leitung:Martin Schelhaas

Es geht in beiden Kurzopern um Leben und Tod. Beide Komponisten hatten für die Betrachtung der letzten Dinge luxuriöse Textautoren zur Hand: Darius Milhaud komponierte ein Jean-Cocteau-Libretto, Christian Jost hatte Woody Allen. „Der arme Matrose“ ist eine abgefeimte Geschichte: Seit 15 Jahren wartet eine Seemannsfrau auf ihren Mann. Er kommt tatsächlich, bis ins Unkenntliche gezeichnet, aber im Besitz einer kostbaren Perlenkette. Inkognito bittet er um ein Nachtlager. Er kündigt der Frau die Heimkehr ihres allerdings völlig veramten Mannes an. Die Frau erschlägt den „Fremden“ und nimmt die Kette.

Regisseurin Anke Rauthmann setzt die Geschichte mit naturalistischer Detailfreude in Szene. Da werden Fische geköpft, Pfeifen geraucht, wird der Hammer zum Totschlag geschwungen. Das passt merkwürdig gut zur scheinbar einfachen Handlung und kontrastiert doch herb zu den unwägbaren Folgen der Geschichte. Milhauds Musik beginnt in harmlosem Dreiertakt. Mit jeder Wendung der Geschichte wird die Musik dunkler, zum Schluss aber entspricht sie als eine Art Wahnsinnswalzer doch wieder dem hellen Groupe-des-Six-Sound. Christian Josts ein Jahrhundert modernere Komposition ist ein Stilmix, der Klang ist bigband-artig von Bläsern und Schlagzeug dominiert.

Der Tod in „Death knocks“ klopft beim agilen New Yorker Textilhändler Nat Ackerman – ans Fenster. Kaum ist er hereingeklettert, klagt er über die kaputte Regenröhre; beinahe habe er sich den Hals gebrochen. Und nur weil gerade nicht Halloween ist, kann er sich als echter Tod überhaupt glaubhaft machen. Am Ende hat er beim Rommé verloren und Nat Ackerman hat einen Lebenstag gewonnen. Wozu, kontert der Tod, es wird regnen. Christian Jost hat Woody Allens „Tod“ noch einmal verwandelt. Vom Bleichgesicht unter schwarzer Kapuze ist er zur Mezzosopranistin mutiert. Die phantastische Itziar Lesaka beherrscht Josts rasante Wechsel zwischen schneidenden Avantgardismen, Pop-Anklängen und großer Opern-Phrase, sie singt im Handstand, klettert an Leitern, zuckt konvulsivisch – schließlich ist es ihr erster Job und wie steht sie da, wenn sie ohne Ackerman kommt – und zieht die ganze weibliche Show ab. Am Ende steht der Herzstillstand; für Schwerin war es indes ein Schritt auf neuen Wegen. Man will verstärkt auf das hauseigene Ensemble setzen, das hier ausschließlich zum Einsatz kam.