Schräge Enge in der Uraufführung von „Die Burg der Assassinen“

Steine, Tiere, Frustrationen

Amir Gudarzi: Die Burg der Assassinen

Theater:Theater Aachen, Premiere:08.12.2023 (UA)Regie:Florian Fischer

Die Uraufführung von Amir Gudarzis „Die Burg der Assassinen“ am Theater Aachen illustriert das lieblose Zusammentreffen von Ost und West in einer ermüdeten westlichen Gesellschaft. Doch nutzt die Inszenierung nicht das ganze Potenzial des Textes für mehr Lust auf  Fremdenfreundlichkeit.

Amir Gudarzi ist derzeit ein viel gespielter Autor. Drei Uraufführungen und eine deutsche Erstaufführung stehen in dieser Saison auf den Spielplänen deutscher Theater. Die erste davon wurde nun in der Kammer des Theaters Aachen gezeigt: „Die Burg der Assassinen“ verbindet – ähnlich wie „Wonderwomb“, das vor einem Jahr am Theater Marburg uraufgeführt wurde – den Blick des im Iran geborenen Autors aus dem Osten nach Westen mit der mitteleuropäisch-westlichen Perspektive gegenüber Islam und asiatischer Kultur; Gudarzi ist inzwischen österreichischer Staatsbürger. In seinen Texten scheut er nicht die Verknüpfung großer Themen und unterschiedlicher Zeitebenen, springt im neuesten Stück vom Angriff der Mongolen auf die Burg der Assasinen zur aktuellen Fluchtbewegung nach Europa, lässt aber auch vom Menschen malträtiertes Gestein zu Wort kommen.

Buntes Personal

„Die Burg der Assassinen“ bietet auf: zwei Sphinx-Figuren, die fast kafkaesk ein Tor bewachen, einen „Er“ unschlüssig vor eben diesem Tor, „Ein anderer Er“, der nach Europa flieht, drei Prostituierte an einem Autobahnparkplatz, einen LKW-Fahrer, der unabsichtlich den Flüchtenden Richtung Schweiz fährt, Stimmen mit widersprüchlichen Botschaften an unwillkommen Einwandernde, den historischen Ost-Reisenden Marco Polo, der von Assassinen und Mongolen und deren Belagerung der Asssassinenburg berichtet, aber auch einen sprechenden Berg, der schließlich gegen die aufdringlichen, ski- und autofahrenden Menschen Steinlawinen auslöst – und damit am Ende den Flüchtenden im LKW-Anhänger zu Tode bringt.

Florian Fischers Inszenierung lässt zunächst eine vierköpfige Gruppe im Halbdunkel „Kein schöner Land“ intonieren. Sie erweisen sich bald als ältliche, griesgrämige Einheimische hinter Greisenmasken. Dem zunächst stotternden Ankömmling im historisierend goldenen, morgenländischen Gewand (Bühne und Kostüme: Lina Oanh Nguyen) verpassen sie ein weißes Pflegergewand und lassen sich von ihm mit Rollstuhl, Rollator oder Walkingstöcken durch eine Bühnenlandschaft schieben, die durch eine abstrakte Schrankenkonstruktion sehr beengt ist. Die anderthalbstündige Uraufführungsinszenierung findet einige sprechende Bilder für die Ignoranz einer kraftlosen, überalterten Schlechte-Laune-Gesellschaft gegenüber dem bemühten Pfleger. Die Berichte des Märchenonkels Marco Polo (Torsten Borm) wirken allerdings ebenso unklar eingebunden wie die Dimension der in Steinen und Berg sprechenden Natur.

Enger Blick

Auch wenn der freundliche Hund Rosie der Griesgramgesellschaft in seinem Kurzauftritt eine fast paradiesische Offenheit entgegensetzt, und obwohl das Spiel von Shehab Fatoum als helfendem Schutzsuchenden zunehmend anrührend wirkt – insgesamt werden die sprachlichen Qualitäten des Textes nicht voll ausgespielt. Sinnvollerweise übernimmt das fünfköpfige Ensemble – Regieassistentin Mona Luana Schneider spielte krankheitshalber kurzfristig eingesprungen einen Part und löste ihre Aufgabe souverän – mehrere Rollen, entwickelt aber wenig Prägnanz in Figuren oder  Situationen. Der Blick bleibt konzentriert auf die triste Stimmung im gegenwärtigen Mitteleuropa.

Weder Dokumentarisches Theater noch Gesellschaft genau nachspürendes Sozialdrama (Unterkategorie: Migrationsdrama) bedient Gudarzi mit dem Text, vielmehr nutzt er epische und lyrische Sprache, um den westeuropäischen Blick historisch und geographisch zu relativieren. Vielleicht braucht es dafür wenig Verwandlung und keine Masken, dafür mehr Zuhören und Gespräch.