Aribert Reimann

Zum Tod von Aribert Reimann

Es gilt das gesungene Wort! Ein Nachruf auf den hochinspirierten Komponisten Aribert Reimann, der mit 88 Jahren in Berlin gestorben ist.

Der Tod Aribert Reimanns nur ein paar Tage nach seinem 88. Geburtstag dürfte all jenen, die sich dem Theater verbunden fühlen, ganz besonders nahegehen. Dafür gibt es gleich zwei gute Gründe. Zum einen hatten ja viele Theaterkünstler das Glück, den Komponisten – 1936 in Berlin geboren und dort aufgewachsen und ausgebildet – bei der Erarbeitung eines seiner vielen Opernwerke zu erleben; zuletzt vielleicht bei der Einstudierung der Maeterlinck-Oper „L’Invisible“, die 2017 an der Deutschen Oper Berlin ihre Uraufführung hatte. Er war ein wunderbar freundlicher, in der Sache strenger, im Auftreten bescheidener Anwalt seines Werkes, der das Theater liebte und mit dem Theater lebte.

Eine dramatische Passion

Zum anderen ist diese dramatische Passion unmittelbar in die Struktur seiner Bühnenwerke eingeflossen. Aus ihr lebt ihr innerer Puls, sie gibt ihnen die typische expressive Dringlichkeit in den unterschiedlichsten Aggregatzuständen seelischen Ausdrucks. Gerade dieser Tage hat mir das ein Sänger nochmal ganz konkret beschrieben: Man stehe als Interpret seiner großen Partien vor all diesen Quintolen, Septolen und Hemiolen und bekomme schier einen Knoten im Hirn – aber plötzlich komme ein Moment, wo man spüre, dass das alles nur der Formulierung eines expressiven, direkt aus der Sprache und ihrem Rhythmus kommenden Wortsinns dient. Und auf einmal fühle es sich ganz natürlich an und man werde frei.

Für Aribert Reimann war die Auseinandersetzung mit dem gesungenen Wort das Lebenselixier seines Schaffens. Das machte ihn zum geborenen Opernkomponisten. Dabei hat sich Reimann mit bemerkenswerter professioneller Leidenschaft auch den Herausforderungen des traditionellen „Apparats“ gestellt, den die Opernhäuser vorhalten. In Zeiten, als die Gattung Oper und die ihr eingeschriebene Opulenz vielen Kollegen suspekt war, bereicherte Reimann sie um zahlreiche Großwerke und trug so zur Bildung eines zeitgenössischen Opernrepertoires bei. Einen ersten Höhepunkt dieser Schaffenslinie bildete 1978 sein „Lear“, dessen Titelpartie er gemeinsam mit dem großen Bariton Dietrich Fischer-Dieskau erarbeitete und der bis heute immer wieder gespielt wird: eine zeitgenössische Repertoireoper!

Erste Klavierlieder mit 10 Jahren

Seine ersten Klavierlieder hatte er bereits im Alter von zehn Jahren komponiert. Am Anfang seiner Bühnen-Karriere standen Handlungsballette nach Libretti von Günter Grass; mit der Vertonung von Gedichten des „Blechtrommel“-Autors wendete er sich wieder der Vokalkompositionen zu, nachdem das „Traumspiel“ nach Strindberg bereits 1965 den Beginn des Opernschaffens markiert hatte. Fast ein Dutzend großer Bühnenwerke hat Reimann uns hinterlassen, stilistisch enorm vielfältig, dabei sich immer abseits der großen Schulen und Trends bewegend. In der Praxis durchaus ein Teamworker, blieb er kompositorisch ein Einzelgänger.

Das Musiktheater vor allem in Deutschland, aber auch auf der ganzen Welt verdankt dem hellwachen dramatischen und theatralen Instinkt dieses handwerklich brillanten, künstlerisch hochinspirierten Komponisten unendlich viel. Deshalb ehrte die Jury des Deutschen Theaterpreises Reimanns Engagement für die Bühne 2018 mit dem FAUST für das Lebenswerk.