Thomas Köck: eure paläste sind leer (all we ever wanted)
Foto: Cover von "eure paläste sind leer" © Suhrkamp Verlag Text:Thilo Sauer, am 27. Januar 2023
Dass es schlecht um die Welt steht, lässt sich auch an den Arbeiten von Thomas Köck ablesen. Während in seiner Klima-Trilogie (die inzwischen ja eigentlich eine Tetralogie ist) noch eine Form von Hoffnung auf den Menschen herrscht, scheint er sich inzwischen fast schon dem Fatalismus hinzugeben. Das zeigt sich an Titel wie „und alle tiere rufen: dieses stück rettet die welt auch nicht mehr“, der 2021 beim Kunstfest Weimar als Live-Hörspiel uraufgeführt wurde. Auch sein neues Stück „eure paläste sind leer (all we ever wanted)“ gleicht eher einem (sehr musikalischem) Abgesang, als dem Wunsch, die Welt zu retten.
Nackt, bis auf ein riesiges Laken, das mehrfach um den Körper geschlungen ist und trotzdem noch zum Teil wie eine Schleppe hinterhergezogen wird, schreitet ein Mensch durch ein verlassenes Gebäude. Vielleicht kann man es sich wie das Haus der Welt vorstellen: mit traditionellen Masken aus dem Kongo an den Wänden und durch die romanisch Fenster mit Rundbogen kann man den Giebel eines südostasiatischen Daches erkennen.
Doch dieses Haus ist dem Verfall begriffen. In treffenden Versen beschreibt dieser vielleicht letzte Mensch, was er sieht, was die Menschheit zurückgelassen hat. Es scheint fast, als wäre der Müll beständiger als jede andere Menschheitsleistung. Die Verzweiflung bleibt dabei immer greifbar: „wieso soll / von euch / irgendetwas bleiben“, schreit dieser „sehender mit depressionen“.
Wurzeln des Untergangs
Das ist die Zukunft, die auch eine Folge der Untaten und der Tatenlosigkeit der Menschen ist, wie der letzte Mensch immer wieder feststellt. Wie schon in früheren Stücken werden diese poetischen Passagen ergänzt durch Blicke auf die Gegenwart und die Vergangenheit. Wieder entführt uns Thomas Köck in den Amazonas, wo Europäer ihre Agenda durchdrücken wollen. In diesem Fall ist eine Schiffscrew auf der Suche nach dem sagenumwobenen El Dorado. In Versalien werden die Protagonisten und ihre Gedanken und Gefühle vorgestellt, und sie klagen sich in einem der frühen Neuzeit angemessenen Sprachduktus an. Vieles kommt in diesen Passagen zusammen: die kapitalistische Ausbeutungsmentalität, die Unfähigkeit mit der Natur in Harmonie zu kommen, der irrige Glaube, als Mensch über allem zu stehen und passend dazu kommt auch noch Misogynie.
Dann schauen wir noch in eine disparate Gegenwart, in der einige Menschen sich ihren Behausungen verschanzen, während andere bis zum Ende (des eigenen Lebens) Fleisch verarbeiten. Betäubung und langsames Verrotten schwebt in diesen Szenen, die vor allem von abgehakten Sprachfetzen gekennzeichnet ist. Und schließlich fällt alles zusammen, brechen die spanischen Eroberer in unserer heiligen Orte ein, die zu den verlassenen Palästen der Zukunft zu mutieren scheinen.
Viele der Anklagepunkte dieses Abgesangs sind den Menschen, die sich nur etwas mit den Problemen der Klimakrise beschäftigt haben, längst bekannt: Was haben wir von all der Kunst, wenn die Menschheit längst vergangen ist (mit besten Grüße an die Letzte Generation)? Wenn wir doch alle wissen, wie schlimm es ist, warum tun wir alle (ja, alle!) denn nichts gegen diese Katastrophe? „und alles was ich aus der geschichte gelernt habe / ist dass wir nichts aus der geschichte lernen“, sagt der letzte Mensch gegen Ende. Es geht um eine Katastrophe, die schon so lange wuchert, dass wir kaum noch sagen können, wann der Mensch zum Geschwür geworden ist. All das steckt in diesem Text und ist wohl den meisten mehr als bewusst.
Dennoch wirkt dieser Text nicht abgenutzt, die Themen nicht so wie tausendfach gehört. Weil Thomas Köck die Kunst beherrscht dieses Wissen in spannende Bilder zu verpacken, aber es dabei nicht in Metaphern zu ersticken. Und gerade wegen seiner musikalischen und poetischen Qualitäten liest sich dieser Theatertext wunderbar als ein dramatisches Gedicht. Ob wir aus diesem Text die Energie gewinnen, um endlich etwas grundlegend zu ändern, oder uns doch melancholisch in unser Schicksal ergeben, liegt wohl bei jedem Einzelnen.
Thomas Köck: „eure paläste sind leer (all we ever wanted)“ wurde am 13. November 2021 an den Münchner Kammerspielen in der Regie von Jan-Christoph Gockel uraufgeführt. Der Theatertext ist im September 2022 unter der ISBN 978-3-518-43096-5 bei Suhrkamp erschienen. Der broschierte Band umfasst 184 Seiten und ist für 16 Euro im Handel zu erwerben. Eine Leseprobe gibt es HIER.