Das Schlosstheater Celle durch einen Torbogen fotografiert. Das Gebäude liegt in der Sonne, am Himmel sind weiße Wolken.

Das Jubiläum retten

Das Schlosstheater Celle feiert seinen 350. Geburtstag und muss zugleich sein Programm reduzieren, weil das Land die Tariferhöhungen nicht auffängt. Auch wenn das Theater mit Drittmitteln und Einsparungen die Fortexistenz noch gewährleisten kann, bröckelt es am Fundament: dem Kinder- und Jugendtheater.

In kunterbunter Fröhlichkeit ist die Werbung für 350 Jahre Schlosstheater Celle gestaltet. Das Theater ist eine der ältesten kontinuierlich bespielten Bühnen Deutschlands. Für das Jubiläumsprogramm hat Intendant Andreas Döring 400000 Euro an Drittmitteln eingeworben, damit es auch unabhängig von kommunalen und Landeshaushalten über die Bühne gehen kann. Als hätte er die aktuellen Finanzprobleme vorausgeahnt.

Denn zum Start der Geburtstagssaison rutschte die Partylaune in eher graue Stimmungslagen. Wie schon 2018/19, 2021 und 2023 muss gegen eine akute Unterfinanzierung mobil gemacht und gehandelt werden. Da die Eintrittspreise für die Saison 2023/24 bereits um zehn Prozent erhöht worden waren, konnte an dieser Stellschraube nicht schon wieder gedreht werden. „Unser Auftrag ist es ja auch, einen finanziell niedrigschwelligen Zugang zu ermöglichen“, so Döring.

Aus der Not heraus aber konnte sein Team ein drohendes Minus für diese Spielzeit schon mal eigeninitiativ um 50000 Euro vermindern: Sachkosten wurden reduziert, Einnahmeüberschüsse der letzten Spielzeit herangezogen und vier Teilspielzeitverträge nicht wie geplant abgeschlossen. Mit den Folgen, dass zwei Wiederaufnahmen im Kinder- und Jugendtheater sowie eine Uraufführung aus dem Spielplan 2024/25 gestrichen werden mussten. Außerdem kürzte Döring für drei Produktionen die Anzahl der Schauspielenden. Befürchtet wird, dass dies erst der Anfang ist. Sollten die gestiegenen Bedarfe nicht gegenfinanziert werden, droht die Schließung der Kinder- und Jugendsparte sowie das Ende der Angebotsvielfalt im Abendspielplan.

Intendant des Schlosstheater Celle, Andreas Döring. Er steht zwischen zwei Tannen auf einer Wiese. Im Hintergrund die Fassade des Schlosstheaters.

Intendant Andreas Döring. Foto: Marie Liebig

Beispielhaft für kommunale Theater in Niedersachsen

Die Celler Probleme sind beispielhaft für alle sechs kommunalen Theater in Niedersachsen, weil es dort nicht wie in anderen Bundesländern verbindliche Verträge gibt, wie Kostensteigerungen durch das Land aufgefangen werden. „Ohne diese Absicherung leben wir von der Hand in den Mund, langfristige Planungen sind schwer möglich, denn wir müssen Jahr für Jahr für Tarif- und inflationsbedingte Kostensteigerungen als Bittsteller extra Anträge einreichen und dafür bei Politiker:innen und in Behörden werben“, erklärt Döring. Gesichert sind in Celle nur die institutionellen Zuschüsse. Stadt, Kommune und Land zahlen jeweils rund ein Viertel des 8-Millionen-Etats, den Rest erwirtschaftet das Haus selbst, prunkt also mit einem überdurchschnittlichen Eigeneinnahmenanteil von über 20 Prozent.

In Celle schlucken die Personalkosten rund 80 Prozent des Etats. Das Schlosstheater hat 110 Vollzeitstellen, 35 im künstlerischen Bereich. Für viele sind die Einkünfte in den letzten beiden Jahren durch neue Tarifabschlüsse drastisch angehoben worden. „Die Einstiegsgage steigt um 45 Prozent, die Mindestgage um 55 Prozent, hinzu kommt die allgemeine Steigerung, die auch die höheren Gagen betrifft. Diese erhöhten sich entsprechend der Tarifsteigerung für unsere Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst um 200 Euro pro Vollzeitstelle und weitere 5,5 Prozent, im Schnitt also um etwa 12 Prozent“, so Geschäftsführer Claus Becker. Hinzu kommen deutlich erhöhte Energie- und Materialkosten.

Subventionserhöhungen

Celle hatte daher gegenüber dem Land einen Mehrbedarf von 560000 Euro für die aktuelle Spielzeit angemeldet und sich mit den anderen niedersächsischen Kommunaltheatern zusammengetan. Summa summarum beantragten sie Subventionserhöhungen von 6 Millionen Euro. Das Land hat aber nur 3,5 Millionen für dieses und die kommenden Jahre bewilligt, plus einen einmaligen Zuschuss in Höhe von 1 Million Euro. Vom Aufwuchs um nun insgesamt 4,5 Millionen bekommt Celle 350000 Euro. Das Defizit ist also leicht zu errechnen: 560000 Euro Mehrbedarf minus 350000 Euro Nachschlag vom Land minus 50000 selbst eingesparte Euro ergibt ein Minus von 160000 Euro in 2025.

Eine schwarz-weiß-Illustration von Charlie Casanova. Eine Person ohne Kopf steht mit Stiefeln und einem langen Mantel auf einem Untergrund.

Das Geld hat nicht gereicht. Illustration/Foto: Charlie Casanova

Eine Unterfinanzierungsdynamik würde so losgetreten, wenn nicht gegengesteuert werde, so Döring. „Ein Prozent Tarifsteigerung macht künftig etwa 100000 Euro Mehrkosten fürs Schlosstheater aus.“ Dagegen helfe nur ein Schulterschluss der Träger. „Aber gerade sieht es so aus, dass Niedersachsen das Problem nach unten an die Kommunen durchreicht, die das Schlosstheater gern so erhalten würden, wie es ist, aber finanziell viel weniger Möglichkeiten haben als das Land.“ Ihren Anteil an den zusätzlichen Bedarfen zu übernehmen, dazu hätten sich die Kommunen bereit erklärt.

Erfolgreicher Protest in Hannover

In dem Zusammenhang monieren die Theaterleute, im Bundesländer-Ranking würde Niedersachsen laut dem Kulturfinanzbericht des Statistischen Bundesamts seit Jahren bei den Kulturausgaben pro Kopf nur auf den letzten drei Plätzen herumkrebsen. Deswegen demonstrierten die Kommunaltheater mit Zuschauer:innen und Lokalpolitiker:innen am 7. November 2024 vor dem Landtag in Hannover. „700 Menschen beteiligten sich, 100 aus Celle“, so Döring. Er spricht von einem Erfolg. Die Forderungen wurden gehört, mit Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur, Falko Mohrs, und anderen Politikern auch Treffen vereinbart und positive Medienberichte generiert.

Und nun? Döring: „Endlich werden unsere Mitarbeiter:innen besser bezahlt, was ich absolut unterstützt habe, aber nun müssen wir auch die Möglichkeit bekommen, das zu finanzieren, um nicht für den verdienten Lohn aller die Stellen einiger nicht mehr besetzen zu können.“ Eine Fortschreibung der Unterfinanzierung ginge ans Eingemachte. Wirklich Geld zu sparen ist nicht an Bühnenbilddetails oder mit dem Verzicht auf die schon auf Flyerniveau reduzierten Programmhefte, sondern nur durch Personalabbau. Das Schlosstheater müsste bei Nichtausgleich der Defizite erst mal Stellen der in Rente gehenden Mitarbeiter:innen nicht nachbesetzen.

Massive Einschnitte in die Subtanz

Derzeit spielt ein 16-köpfiges Ensemble teilweise morgens für Kinder, abends für Erwachsene. „Das wird mit einer kleineren Mannschaft nicht mehr gehen, wir müssten zuerst im Kinder- und Jugendtheater, also die Bindung junger Menschen ans Theater abbauen. Und das gerade in einer Zeit, in der die Literatur- und Theateraffinität auch in Lehrerkollegien sinkt. Wir spielen 150 Aufführungen für junge Leute pro Saison, das haben wir uns in den letzten zehn Jahren aufgebaut, die Jugendlichen aus zwölf weiterführenden Schulen gehen einmal im Jahr bei uns ins Theater.“

Aufführungsfoto von „Schloss der Frauen“ am Schlosstheater Celle. Eine Frau im barocken Kleid steht mit einem kleinen Koffer in der Hand vor einer Gruppe von sechs Männern, die sie anschauen.

„Schloss der Frauen“ am Schlosstheater Celle. Foto: Marie Liebig

Zudem sei die Programmvielfalt und damit die Bedeutung des Theaters gefährdet. Produktionen, die inhaltlich und ästhetisch dafür stehen, substanzielle Kultur zu ermöglichen, würden derzeit querfinanziert durch populär unterhaltende Aufführungen wie „Achtsam morden“ (Karsten Dusse) oder „Stolz und Vorurteil“ (Jane Austen). Bei steigender Unterfinanzierung müsste wohl vermehrt nach Quote inszeniert werden.

Jubiläumsprogramm

Jetzt aber kann sich jede:r noch mal einen Eindruck von der künstlerischen Kraft des Schlosstheaters verschaffen. Fürs Jubiläumsprogramm beschäftigen sich zehn Stücke mit dem Motto „Der Freiheit eine Bühne geben“. In üppiger Kostümpracht kunterbunt angepriesen wird beispielsweise ein vom Intendanten selbst verfasstes Drama über den entscheidenden Einfluss von drei Frauen für die Geschichte des Hauses („Schloss der Frauen“) sowie die Verbannungsgeschichte der dänischen Königin Caroline Mathilde ins Celler Residenzschloss (nach „Der Besuch des Leibarztes“ von Per Olov Enquist).

Auch bringen alle Theater des Bundeslandes ein Gastspiel als Geburtstagsgeschenk nach Celle. Und in der aufgeheizten Palästina-Debatte wird eine Kooperation mit dem Jaff a Theatre Tel Aviv ermöglicht: „Durch das Schweigen – Mehrgenerationen-Geschichte über die Hoffnung auf Sicherheit und Frieden nach 1945“. Bei solchen Projekten sei das Publikum gefordert, so Döring: „Genau deshalb haben wir uns um Drittmittel bemüht, um in diesen Zeiten eine innovative Art der Erinnerungskultur mit heutigen, komplexen Fragestellungen ,leisten‘ zu können.“

Dieser Artikel ist erschienen in Heft Nr.1/2025.