Szene aus „Der Menschenfeind“

Mal dir das Leben

Molière: Der Menschenfeind

Theater:Düsseldorfer Schauspielhaus, Premiere:25.10.2025Regie:Sebastian Baumgarten

Sebastian Baumgartens Inszenierung von Molières „Der Menschenfeind“ am Düsseldorfer Schauspielhaus versetzt die Figuren in eine skurrile Pop-Art-Ästhetik. Das engagierte Ensemble unterhält in einem kurzweiligen Abend.

Permanente Ehrlichkeit – das ist Alcestes Verhaltenskompass in Molières „Le Misanthrope“ (Der Menschenfeind). Als Hofdichter des Sonnenkönigs Louis XIV erlebte der französische Dramatiker und Schauspieler im 17. Jahrhundert den höflich-höfischen Umgang als heuchlerisch, oberflächlich und belanglos, geprägt von einer Gier nach sozialer Anerkennung: vorne herum mit aufgesetzter Maske, hinten herum mit Gossip und sogenannten Freundschaften zum ökonomischen Vorteil.

Kein edler Hof, keine Anstandsgesellschaft, keine gepuderten Gepflogenheiten: In Düsseldorf befinden sich Alceste und das Bussi-Bussi-„Partypack“ in einer Pop-Art-Umgebung. Eine menschengroße, umgekippte Farbdose dient als Tunnel für Auf- und Abgänge. Als sich der Saal mit Publikum füllt, sind mehrere Personen im Malerkostüm dabei, die Bühnen-Rückwand sonnengelb zu streichen (Bühne: Thilo Reuther). Alceste und das Ensemble erscheinen als Kontrast dazu in schwarzen Latex-Leder-Outfits (Kostüme: Tabea Braun) und mit dick und schwarz bemalten Augen und Mündern.

Künstliche Ästhetik

In Regisseur Sebastian Baumgartens künstlicher Ästhetik, die gekonnt die skurrile Ebene von Molières Komödie unterstreicht, wird mehrfach auf die Wand dahinter projiziert: „Théâtre du vide“ steht da beispielsweise – eine Anspielung auf das gesellschaftliche Spiel als leerem („vide“) Theater. Auf der Wand erscheinen passend zum Comic-Stil auch die Silhouetten des sich possierlich-ruckartig und tänzelnd bewegenden Ensembles. Diese Figuren wirken wie überzeichnete Alter Egos hinter der gepflegten Fassade menschlichen Verhaltens.

Die originale französische Versform gibt es in Botho Strauß‘ Übersetzung noch zu Teilen. Verkünstlicht werden die Worte in Baumgartens Inszenierung durch Slapstick-Bewegungen, zu denen Jovan Stojšin mit E-Gitarre effektvolle Geräusche liefert. Dass er die ganze Zeit normal angezogen auf der Bühne sitzt und auch teilweise zum außenstehenden Ansprechpartner der Schauspieler:innen wird, macht das Spiel noch mehr zum inszenierten Theater und verdeutlicht, dass Alceste – wie der Rest des Ensembles schwarz und gothic kostümiert – sehr wohl auch zu dieser Gesellschaft gehört, so sehr er sich auch dagegen wehrt.

Inkonsequenz menschlichen Verhaltens

Alceste ist wie andere Nörgler einer, der es scheinbar einfach nur besser wissen will als der Rest. Claudius Steffens spielt ihn eklig motzend, verbohrt im eigenen Lebenskompass. Sobald Célimènes (Minna Wündrich) jedoch die Bühne betritt, fällt er aus den eigenen moralischen Grenzen und ihr zu Füßen. Die Inkonsequenz, mit der er und die Figuren handeln, ist schließlich grundlegender Bestandteil von Molières Komödie.

Wündrichs von allen begehrte Célimènes gewinnt das Publikum gerade dann für sich, wenn sie in andauernden heulenden Kauderwelsch ausbricht, als sie sich zwischen den um sie streitenden Oronte und Alceste entscheiden soll. Die ehrlichen Worte, die so schwer auszusprechen sind, erscheinen nur projiziert auf dem Bildschirm. Oronte (Sebastian Tessenow) schwebt derweil mit großer Geschenkverpackung um die Mitte als eitler Dichter von oben herab. Caroline Cousin als heimlich in Alceste verliebte Éliante und Cathleen Baumann als Céliemènes Freundin Arsinoé sowie Heiko Raulin als Philinte, Rainer Philippi und Markus Danzeisen als die Marquises Acaste und Clitandre machen die komisch-skurrile Bande komplett.

Textliche Anspielungen auf das Stadtbild (Merz) und Sauerland, wohin sich Alceste flüchten will, sind für Düsseldorf eingebaute Gags, die eher vorübergehend unterhalten. Doch bebildert Baumgartens Inszenierung Molières Stück mit einer künstlichen Welt, die gelungen eine groteske gesellschaftliche Parallelwelt illustriert. Und durch das starke Spiel der Schauspieler:innen wird das zum kurzweiligen, unterhaltsamen Abend.