Foto: Stadt:Kollektiv Düsseldorf © Thomas Rabsch
Text:Martina Jacobi, am 20. September 2025
Gleich zwei Sparten feierten mit einer Doppelpremiere erfolgreich die Eröffnung der frisch renovierten Spielstätte Central: Das Junge Schauspiel und die partizipative Sparte Stadt:Kollektiv des Düsseldorfer Schauspielhauses. Im Central 2 startete das Stadt:Kollektiv im wirkungsvollen Bühnenbild mit einer Interpretation von Georg Kaisers „Das Floß der Medusa“ und der Botschaft für eine gemeinsame Zukunft.
Nur wenige Meter vom Düsseldorfer Hauptbahnhof ist im Central wieder Leben eingekehrt. Gleich zwei Sparten des Düsseldorfer Schauspielhauses eröffneten mit einer Doppelpremiere und einem zweitägigen Nachbarschaftsfest die frisch renovierte Spielstätte mit den zwei Bühnen Central 1 und Central 2: Junges Schauspiel und die partizipative Sparte Stadt:Kollektiv. Nach feierlichen Ansprachen von Intendant Wilfried Schulz, der Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW Ina Brandes, dem Düsseldorfer Oberbürgermeister Stephan Keller, der Künstlerischen Leiterin des Stadt:Kollektiv Birgit Lengers und dem Künstlerischen Leiter des Jungen Schauspiels Stefan Fischer-Fels wurde gemeinsam mit zwei Kindern feierlich das Band zerschnitten – ein symbolisches Zeichen dafür, wem diese Bühne gehören soll.

v.l.n.r. Künstlerische Leiterin des Stadt:Kollektiv Birgit Lengers, Intendant Wilfried Schulz, Ministerin für Kultur und Wissenschaft in NRW Ina Brandes, Oberbürgermeister Stephan Keller, Künstlerischer Leiter des Jungen Schauspiels Stefan Fischer-Fels, Dolmetscher für deutsche Lautsprache und Deutsche Gebärdensprache Rafael-Evitan Grombelka. Foto: Anne Orthen
Premiere Junges Schauspiel: „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“
Mit „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ begann die erste Premiere im Central 1. Im vollen Saal wurden manche Reihen extra für gehörlose und taube Menschen reserviert. Die ganze Aufführung lang sind abwechselnd die Dolmetscher für deutsche Lautsprache und Deutsche Gebärdensprache Lars und Rafael-Evitan Grombelka auf der Bühne. Sie stehen nicht am Bühnenrand, sondern bewegen sich mit den Darsteller:innen Hannah Joe Huberty als Timm Thaler, Eva Maria Schindele als Baron Lefuet alias Teufel sowie Ayla Pechtl, Felix Werner-Tutschku und Cem Bingöl mit, die im liebevollen Bühnenbild mit wunderbaren Zauber-, Slapstick-, Licht- und Geräuschetricks Timms Bemühungen, sein Lachen wiederzufinden, zum Leben erwecken.

Baron Lefuet (Eva Maria Schindele), Timm Thaler (Hannah Joe Huberty). Foto: David Baltzer
Premiere Stadt:Kollektiv: „Das Floß der Medusa“
Nach kurzer Verschnaufpause mit Verpflegung in der Central-Brücke ging das Programm im Central 2 weiter mit dem Stadt:Kollektiv. Mit Regisseurin Fabiola Kuonen haben 13 Jugendliche zwischen neun und 17 Jahren Georg Kaisers Theaterstück „Das Floß der Medusa“ (1940-43) weiterentwickelt. Das Stück trägt den gleichen Namen wie das 1819 von Théodore Géricault gemalte Ölbild zur Szene eines Schiffbruchs. Kaiser schrieb das Stück beruhend auf dem realen Hintergrund eines auf hoher See torpedierten Dampfers, der 1940 Kinder aus bombardierten Städten von England nach Kanada bringen sollte. 13 Kinder entkamen auf einem der Rettungsboote. Nach einer siebentägigen Irrfahrt wurden 11 lebend geborgen.
Es ist ein düster-passendes Stück zu aktuellen Weltkrisen und den in den Eröffnungsreden erwähnten Schulden der Erwachsenen für eine lebenswerte Zukunft nachkommender Generationen, denen diese Spielstätte gewidmet ist. Die Kinder sind auf einem (Rettungs-)Boot, aber wo fährt es hin? Unterschiedlich große Betonblocksteine, die in Küstenschutzbauwerken verwendet werden, bilden das reduzierte, wirkungsvolle Bühnenbild. Die Jugendlichen stranden auf der berühmten einsamen Insel. Können sie dort alles hinter sich lassen und neu anfangen? Oder dominieren gelernte Lebens- und Verhaltensweisen den gemeinsamen Umgang? Wer hat das Recht zu überleben, wenn die Ressourcen knapp werden?

Stadt:Kollektiv Düsseldorf. Foto: Thomas Rabsch
Um diese existenziellen Fragen streiten die Jugendlichen in der neuen Welt, eingebettet in ein Namensspiel griechischer Gottheiten und Helden, in dem sie zu Dionysos, Hera, Ares, Paris, Hermes oder Medea werden. Die Ensemblemitglieder lassen ihre unterschiedlichen Muttersprachen und Kulturen in die Handlung mit einfließen: Welche Mythen und Sagen prägen uns selbst? Welche Geschichten haben wir uns angelernt?
Was brauchen wir voneinander?
Mit kriegerisch geflochtenen Frisuren und schwarz umschminkten Augen (Kostüm: Claudine Walter) sehen sie weniger wie Schiffbrüchige oder Opfer, aber wie Kämpfer:innen aus. Mit großer Spielenergie turnen die Jugendlichen im Bühnenbild von Karolina Wyderka, bewegen sich choreografisch wie wogende Wellen und verhandeln so verbal und ästhetisch den Überlebenskonflikt zwischen Egoismus und Gemeinschaft. Der größte Graben eröffnet sich im Glauben: Sie sind zu dreizehnt. Für die einen ist das ein Unglücksomen, für die anderen Aberglauben. Wie menschlich ist eine demokratische Abstimmung darüber, wer gehen muss? Wenden wir uns im Überlebenskampf gegen- oder zueinander?
Die abschließende Message ist, dass auch Angelerntes veränderbar ist. Was brauchen wir im gemeinsamen Überleben jeweils im Einzelnen aber auch: Was brauchen wir voneinander? Das ist keine Lösung zukünftiger Probleme, aber eine starke Botschaft an gemeinschaftliche Stärke, ein gemeinsames Handeln und natürlich auch das Central als eine neue Insel dieser Möglichkeiten.