Foto: „Apropos Schmerz (Denken Sie an etwas Schönes)“ © Christian Kleiner
Text:Martina Jacobi, am 11. Januar 2025
„Apropos Schmerz (Denken Sie an etwas Schönes)“ von Hausautor:in Leo Lorena Wyss des Nationaltheaters Mannheim handelt von der noch wenig erforschten chronischen Krankheit Endometriose. Caroline Anne Craps Inszenierung fängt die Objektifizierung weiblich gelesener Körper toll ein, verfängt sich dann aber in Zustandsbeschreibungen.
Anna Blume liegt zuhause im Bett, sitzt im Wartezimmer von irgendwelchen Arztpraxen, rennt ihre Runden im Schulsport – oft fühlt sie diesen starken Schmerz im Unterleib. Er hängt nicht nur wie ein Damoklesschwert über ihr, sondern ist vor allem in ihr drin. Und um sie herum wird in Magazinen und in der Werbung ein vermeintlich gesunder, weiblicher Idealkörper propagiert: natürlich ist dieser Körper sportlich, natürlich sehen die dazugehörigen Gesichter immer fröhlich aus.
Sie hat Endometriose, da wächst im Körper Gewebe, wo es nicht hingehört, zum Beispiel außerhalb der Gebärmutter. Und wenn sich das Gewebe entzündet, hat das starke Schmerzen zur Folge. Wie im echten Leben, nehmen viele Ärzt:innen Anna Blume nicht ernst. Durchschnittlich vergehen siebeneinhalb Jahre, bis die noch wenig erforschte Krankheit diagnostiziert wird. Stattdessen wird sie gefragt, ob sie es schonmal mit sanftem Yoga versucht habe. „Ich würd dir mal die Pille verschreiben, ja?“, sagt die Ärztin, „das hilft bei den Schmerzen“.
Poetische Sprache
Caroline Anne Kapp inszeniert das Auftragswerk des:r Hausautor:in mit einfachen aber wirksamen Bühnenmitteln. Eine weiße, klinische und uneinladende Badezimmer-Kachelwand, ein kubischer Kasten im Vordergrund, der mal als Bett, mal als Arztliege dient. Wie fremdgesteuert bugsiert Anna Blume ihren Körper über die Bühne, der Objekt dieser und jener Untersuchung wird, der sich in Schmerzen krümmt, der sie anzweifeln lässt, welches Leidenslevel noch „normal“ sein soll.
Dass Dominika Hebel als Anna sich dabei wie eine Sims-Figur bewegt, verstärkt diesen Effekt. Der visuelle Eindruck eines Neben-sich-Stehens gelingt nachfühlbar. Anna Blumes Körper ist ein an bestimmten Werten gemessenes Objekt in einem Gesundheitssystem, das in vielen Bereichen dem biologisch männlichen Körper angepasst ist.
Wie im ersten Stück „Blaupause“, mit dem Wyss 2023 den Autor:innenpreis des Heidelberger Stückemarkts gewann, prägt „Apropos Schmerz“ eine poetische und auch mit Humor gefärbte Sprache, die sich dennoch dringlich an einen inneren Gefühlszustand herantastet. So gelingt es they, mit Sprache etwas einzufangen, was schwer in Worte zu fassen ist. Die Themen dahinter – Gesundheitssystem, Endometriose, steriler Gesundheitswahnsinn – das alles klingt in der Umgebungsbeschreibung Anna Blumes an, aber entfremdet, unmenschlich, sodass man als Teil des Publikums einen Eindruck davon bekommt, welchen gesetzten Maßstäben und Erwartungen ein biologisch weiblicher Körper in unserer Gesellschaft unterliegt.
Humor und Leichtigkeit
Wyss integriert nicht nur die weiblich gelesene Körpererfahrung, sondern auch eine queere: Wie soll Anna Blume von ihrer Beziehung mit Robyn erzählen, weder Frau noch Mann, wenn sie immer nach dem Freund gefragt wird? In welches vorgelebte Bild passt diese Liebe und Körperbeziehung?
Dieses Körpergefühl, das durch Wyss‘ Text und Hebels Spiel auf der Bühne so toll eingefangen wird, hat sich leider gegen die Mitte des Stücks etwas auserzählt. Danach fasert die Inszenierung aus, verfängt sich in Zustandsbeschreibungen und es gibt keine klare Richtung mehr. Am Ende beeindruckt aber ein sich immer weiter aufblasendes unförmig-riesiges Ballontuch, das gleich darauf rot leuchtet und den Schmerz letztlich sichtbar macht. Das vierköpfige Ensemble, neben Hebel noch Maria Helena Bretschneider, Daniel Krimsky und Rahel Weiss legt insgesamt eine beachtliche Leistung hin, switcht von der Ärzt:innen-Rolle zum Bergdoktor-Sketch. Der Inszenierung gelingt besonders eines: Mit Humor und Leichtigkeit ein schweres Thema nachfühlbar einzufangen.