Wer jetzt kein Haus hat…

Anna Malunat: Jesus ich möchte viel Glück beim Angeln

Theater:FFT, Premiere:25.02.2012 (UA)Regie:Anna Malunat

Anna Malunat setzt ihre Heimattrilogie mit einem Roadmovie fort

Röhrenradios, Mikrowellen und Computerbildschirme leuchten im nebligen Dämmer. Drei Thirtysomethings kauern zwischen einer Unzahl technischer Geräte, einer Landschaft des technischen Fortschritts. Arthur (Oleg Zhukov) ist aus Odessa zu Besuch gekommen, den Kopf voller Deutschland-Bilder aus einer Marketingbroschüre. Zusammen mit Sascha (Olaf Helbin) und Caroline (Katharina Meves) macht er sich auf zu einem Roadmovie quer durch die Republik.

Das Reisen durch das eigene Land war schon immer ein Mittel der Verortung und Selbstver-ständigung, vor allem im Roman oder Film. Regisseurin und Autorin Anna Malunat überträgt das Roadmovie nun auf die Bühne des FFT in Düsseldorf und setzt damit ihre Heimatserie fort. Machte sie sich zunächst auf die Suche nach dem Heimatbegriff der Großelterngenerati-on, so sind in „Jesus ich möchte viel Glück beim Angeln“ nun die sozialen Netzwerker dran.

Brandenburg, Dortmund, Bottrop, Elmshorn, Biberach, das Trio tuckert im fiktiven Auto durch die Gegend, hört Radio, murmelt federleicht-beiläufige Dialoge vor sich hin. Man macht Halt, streift durch die (Geräte-)Landschaft. Mit melancholischem Scharfblick werden Sand und Kiefern in Brandenburg beschrieben. In Dortmund entsteht auf dem Gelände des komplett abgebauten Phönix-Stahlwerks ein neuer Baggersee: Strukturwandel und künstliche Renaturierungsversuche erzählen von Identitäts- und Heimatverlust. Eine Werbung für ein Fertighaus nach neuestem Klimastandard gerät zur sehnsüchtigen Beschwörung eines Heims, doch je genauer das bauliche Dämmwunder beschrieben wird, desto mehr gleicht es einer Isolationstrutzburg. Die Ambivalenzen des Heimatbegriffs sind mit Händen zu greifen.

Anna Malunats „Jesus“-Abend ist kein Stück, eher ein virtuos, manchmal auch gefährlich leichtfüßiger theatraler Essay, der in seinen lustvollen Beschreibungen von Landschaften, menschlicher Kleidung, Blumentöpfen oder Fußgängerzonen eine faszinierende ethnologische Tiefenschärfe gewinnt. Nicht als Selbstzweck allerdings, sondern immer im Bezug zu dem reisenden Trio. In kurzen Blicken, einer Berührung bahnt sich eine zarte Zuneigung zwischen Arthur und Caroline an: „Jules und Jim“ 2012. Und plötzlich gehen ganz altmodisch Natur und Gefühl im Gleichschritt: Kurz hinter Biberach, auf einem Feldweg, im tobenden Unwet-ter prügeln die beiden Männer wild aufeinander ein und Caroline lächelt ruhig vor sich hin. Geklärt hat sich mit der Explosion allerdings nichts, am Ende stehen die drei in Schneetreiben und völligen Stille in der Landschaft. Um es mit Rilke zu sagen: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr“.