"La belle au bois dormant" in Colmar
Musiktheater,

Es war einmal

Ottorino Respighi: La belle au bois dormant

Theater:Opéra national du Rhin, Premiere:19.12.2014Autor(in) der Vorlage:Charles PerraultRegie:Valentina CarrascoMusikalische Leitung:Vincent Monteil

Vogelgezwitscher aus den Lautsprechern, winkende Kinderhände, zu denen schicke Kleidchen und wackelnde Fühler auf Haarreifen tanzen – eigentlich müsste man Kind sein, um eine Kinderoper zu rezensieren. Doch in uns allen steckt ein Kind, sagt die Regisseurin Valentina Carrasco, die das musikalische Märchen „La belle au bois dormant“ auf die Bühne des Colmarer Stadttheaters gestellt hat. Und darauf setzt sie in ihrer Inszenierung. Die Geschichte nach Charles Perrault, die uns als Dornröschen von den Brüdern Grimm bekannt ist, beginnt in einem märchenhaften Wald. Carles Berga und Peter van Praet haben ihn mit Licht und Video auf eine durchsichtige Wand an der Rampe und die grünen, vom Schnürboden hängenden Stoffbahnen projiziert. Das ist eine erfrischende Alternative zur meist schlecht funktionierenden naturalistischen Bühne. Sie knüpft an eine Zeichentrickfilmästhetik an, mit der die Jahrhunderte alten Märchen sonst über Bildschirme in Wohnzimmern flimmern. Der Bühnenwald spiegelt alle Eigenschaften, die Kinder am Wald lieben, vom Versteckspielen bis zum Klettern in den Bäumen.

Die Querflöte zwitschert, der Kuckuck (Lamia Beuque) ruft und turnt mit der Nachtigall (Gaëlle Alix) in den Bäumen herum. Auch dafür eignen sich wunderbar die zur Schaukel umfunktionierten Baumtücher. Die gut gemeisterten Höhen und Tiefen der Piepmätze spiegeln sich in der farbenfrohen Musik aus dem Orchestergraben wieder. Directeur der Opéra national du Rhin Marc Clémeur hat diese Märchenoper von Ottorino Respighi – stets auf der Suche nach unbekannten, selten gespielten Schätzen – entdeckt. In der Erstfassung von 1921 war sie als Marionettenspiel konzipiert. Vincent Monteil, der musikalischen Leiter, hat sie mit kleinem Orchester (Straßburger Philharmonie), ohne Chor und den Sängern des Opernstudios besetzt, den Text ins Französische übersetzt und für die kleinen Zuschauer adaptiert. In der Colmarer Aufführung nimmt er der Oper dadurch keinesfalls etwas weg. Auf diese création française, französische Erstaufführung ist man hier in Colmar stolz und wird sie sogar in Paris zeigen.

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Die argentinische Regisseurin, die auch mit der katalanischen Compagnie La Fura dels Baus arbeitet, versteht es, mit Spannung und Überraschungen der Aufmerksamkeit der Kinder gerecht zu werden. Den Auftritt der blauen Fee (fabelhaft: Rocío Pérez Rodríguez) kündigt ein blaues, geheimnisvoll über die Bühne wehendes Tuch an, die schwarze Fee (Marie Cubaynes) schält sich aus einem schwarzen Müllsack und taucht mitten aus dem Boden des königlichen Palastes auf. Von da an verliert die Bühne alle Farben und auch Dornröschens roter Farbtupfer mündet bald in ein weißes Kleid, ihr Schlafgewandt.

Das Prinzip der Farben und Stoffe zieht sich durch die Geschichte. Für den Palast tauschen die Stoffbahnen ihr Grün in ein Rot und als Dornröschen (Gaëlle Alix) die Alte am Spinnrad trifft und ihr jugendlicher Leichtsinn und ihre Neugier sie doch in den verfluchten Schlaf versetzen, weil sie sich an der Spindel sticht, hängen von der Decke die gewebten Fäden in Grau, in denen sich Dornröschen verheddert und schließlich zu Boden fällt.

Es ist Winter und die Prinzessin muss solange schlafen, bis es Frühling wird, die Farben zurückkehren und der Kuss des Prinzen (Sunggoo Lee) sie ins Leben zurückholt. Märchenhaft und verzaubernd sind das Weinen des Königspaares (Lamia Beuque und David Oller) am Bett ihrer Tochter, die Stille des Winterschlafes, der mit Schneeflocken die Schönheit des Waldes zelebriert, und das Aufwecken der schlafenden, verschneiten Hofgestalten durch die blaue Fee.

Nur manchmal, an einzelnen Stellen, wirkt die Inszenierung plump. Wenn die in Ohnmacht gefallene Schönheit wie eine Leiche über den Bühnenboden gezerrt oder sie wie im Sarg auf ihr Schlafgemach getragen wird. Auch der Videoregen wirkt übertrieben. Vielleicht sind es bloß Kontrapunkte zur märchenhaften Leichtigkeit. Aber die Liebe zwischen dem Prinzen und der Prinzessin mag man den beiden nicht so recht abnehmen.

Die Stars der Produktion bleiben die Natur mit ihrem Zauber und ihren Bewohnern, deren Kostüme (Nidia Tusal) und Stimmen überzeugen.