Heute ist er fast vergessen, obwohl es eine aktive, wenngleich kleine Fangemeinde gibt. Gottfried von Einem (1918 bis 1996) war langjähriges Direktionsmitglied der Salzburger Festspiele, zwei seiner Opern wurden hier uraufgeführt („Dantons Tod“ und „Der Prozess“). Die Uraufführung von „Jesu Hochzeit“ (1980) hätte eigentlich in der Ossiacher Stiftskirche stattfinden sollen, doch die lokalen Kirchenfürsten verhinderten es. Also spielte man das Stück – unter heftigem Protest – bei den Wiener Festwochen. Lang vergangene Zeiten, so könnte man meinen. Anno 2016 gab es zwar keinerlei Diskussionen im Vorfeld. Jedoch verweigerte der Kärntner Klerus Gottfried von Einems Mysterien-Oper erneut Einlass in die Stiftskirche. Ein Glücksfall – denn so fand die Premiere im wunderbaren Stiftshof unter freiem Himmel statt.
Durch einen Torbogen schimmert sanft der Ossiacher See, allmählich dämmert es, die Luft wird kühler, während vor, neben und um das Publikum herum die Vereinigung von Jesus mit der Tödin stattfindet. Letztere ist im Libretto von Lotte Ingrisch (Gottfried von Einems Witwe) der Gegenpol zum lebendigen, liebenden Erlöser. Regisseurin Nicola Raab zeigt das Paar als metaphysische Wettstreiter, aber auch als ambivalent Liebende. Das zentrale Duett kommt scheppernd vom Band, während die beiden anmutig lauschen, sich sonst jedoch durchaus im Kampfmodus befinden. Anfangs befinden sich sämtliche Protagonisten auf einer Art Leseprobe, man sitzt an einem großen Tisch und blättert in den Noten, die gerade nicht Singenden kommentieren ihre aktiven Kollegen mit zustimmenden oder skeptischen Gesten.