Text:Hans-Christoph Zimmermann, am 8. November 2013
Es ist der klassische Lebenslauf einer Jüdin im 20. Jahrhundert: Bis 1933 führt Anna Maria Jokl eine normale bürgerliche Existenz, arbeitet als Journalistin und Drehbuchautorin. Danach folgen fast dreißig Jahre Exil und Diaspora zwischen Prag, London, Zürich, West- und Ost-Berlin, die erst ab 1965 in Jerusalem zu Ende gehen. Dass diese Jahre ihre spätere Arbeit als Psychotherapeutin und Autorin prägen, versteht sich.
1937 entsteht ihr Buch „Die Perlmutterfarbe – ein Kinderroman für fast alle Leute“, der am Beispiel von zwei Schulklassen die Erfahrung von Ausgrenzung und Mobbing, aber auch von Zivilcourage und Mut durchspielt. Zunächst nimmt Alexander aus der A dem kleinen Karli aus der B ein Buch weg. Aus dem Vorfall und einem verschwundenen Tuschkasten entwickelt sich ein Kesseltreiben. Der neue Mitschüler Gruber schwingt sich zum Demagogen auf, der über die inferiore B-Klasse hetzt. Man gründet eine Schutztruppe, setzt Gerüchte in Umlauf, erfindet einen eigenen Verhaltenscodex. Die wenigen Zweifler aus der eigenen Klasse wie vor allem Lotte und Maulwurf werden gnadenlos bekämpft – bis sich schließlich alles in Erkenntnis auflöst.
In Jokls aus den Zeitläuften entwickeltem Roman dominiert das parabelhaft Erklärende. Daran kann auch Christoph Nußbaumeder kaum etwas ändern, der aus dem Text eine Spielvorlage entwickelt hat. Aus den männlichen Hauptfiguren Alexander und Gruber werden zwar Alexandra und Albertine, doch die Straffung des Geschehens auf neunzig Minuten treibt den Holzschnitt häufig nur umso deutlicher hervor. Nicht zuletzt durch die Besetzung mit Schülern bekommt der Abend in Düsseldorf so etwas Lehrstückhaftes.
Annette Kuß hat die jungen Schauspieleleven in ihren zwischen Dreißigern und Gegenwart changierenden Kostümen allerdings zu Höchstleistungen angetrieben und arbeitet vor allem die gruppendynamischen Aspekte der Vorlage heraus. Da schwingt sich Albertine mit Reden, Einschüchterungen und Intrigen zur Anführerin auf, da erfindet die Gruppe einen eigenen Gruß und trägt Halstuch und Stiefel, es werden Mutproben verteilt, Tauziehen gerät zum inneren Fraktionskampf. Die Regie entwickelt in Sigi Coples Bühnenlandschaft aus roten und grauen Elementen ein abwechslungsreiches und unterhaltsames Spiel, das vor allem durch die Verve der jungen Darsteller überzeugt.