Das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg hinter der Corona-Teststation

Krisentagebuch 34 – Spielzeit!

Jetzt ging es doch ganz schön schnell: Am vergangenen Wochenende gab es – meist sehr kurzfristig angesetzt – unzählige Theaterpremieren.  Bei unseren Onlinekritiken kommen wir zwischen 4. und 6. Juni alleine schon auf 12 Besprechungen, digitales Theater nicht eingerechnet. So viele Rezensionen können wir uns eigentlich gar nicht leisten. Aber die Umstände sind nicht normal. Schließlich feiern wir den Neustart des Theaters kurz vor Saisonschluss!

Fast heimlich still und leise eröffneten die meisten Theater, durften angesichts sinkender Infektionszahlen wieder vor Publikum spielen, nachdem es zuvor wochenlang ein Hin und Her zwischen Öffnungsszenarien gab, die (etwa in München) dann wieder zurückgenommen wurden, schließlich setzten viele Häuser zwischenzeitlich auf die Umstellung auf Freilufttheater – und spielen nun teilweise drinnen und draußen; für andere war es zu spät, sie eröffnen erst im Herbst und konzentrieren sich solange auf digitale Formate.

Die künstlerische Ausbeute des Wochenendes ist gemischt. Ist also wieder alles wie immer, die Krise überstanden und die nächste Saison wird wieder ganz normal? Die beiden Premieren, die ich am Wochenende an den beiden großen Schauspielhäusern in Hamburg sah, fanden vor einem Viertel des Publikums statt. Der kollaterale Aufwand mit Test, Nachverfolgungs-App und Dauermaskentragen war für das Publikum nicht ganz unerheblich. Auf der Bühne begegnete mir einerseits überbordende Spielfreude („Pippi Langstrumpf“ am Thalia Theater) und andererseits Kunsthandwerk auf hohem Niveau, als habe es kein Corona gegeben – und das ausgerechnet in einem Stück, in dem es um die tieferen Folgen der Krise ging („Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!“ am Deutschen Schauspielhaus).

Die zentrale Frage ist, ob die Theater so weitermachen wollen und können wie vorher. Innerhalb vieler Häuser hat es in den letzten Monaten medial vernehmbar laut geknirscht, aus Frust über die Missachtung der Kultur, aber auch weil betriebsinterne Missverhältnisse an die Oberfläche kamen. Organisatorisch stehen die Theater vor großen Herausforderungen; künstlerisch wird die existenzielle Frage sein, was die Bühnen aus der Krise machen. Können die Theater ihre eigenen Probleme kreativ mit der allgemeinen Verunsicherung auch beim Publikum verbinden? Bleiben die Menschen nach der ersten Wiedereröffnungswelle dem Theater dauerhaft gewogen? Wieder einmal dürfte die Antwort je nach Ort und Theater ganz unterschiedlich ausfallen. Wir schauen weiter voll Sympathie genau hin.