Das Theater Altenburg hinter Kirschblüten

Krisentagebuch 34 – die Parketttüren öffnen sich

„Schön ist die Welt!“  Mit diesem endorphingetränkten Aufseufzer nach Franz Lehár öffnet die Bayerische Staatsoper morgen nach ziemlich genau einem halben Jahr ihre Pforten endlich wieder für ihr Publikum. Und sie ist damit nicht allein. Ein Theater nach dem anderen streckt seine Arme aus. Von St. Gallen bis Kiel, von „Jesus Christ Superstar“ bis „Anatevka“ wird es viel unterhaltendes Musiktheater geben in den nächsten Wochen, aber auch ganz andere Sachen: Zupackende Zeitstücke von Mark Ravenhill und Roland Schimmelpfennig in Bamberg etwa oder ambitioniertes junges Theater von Dea Loher und Franziska Autzen in Konstanz.

Natürlich ist die Pandemie längst nicht vorbei, aber die Theater haben bekanntlich, gemeinsam mit Kino und Gastronomie, länger warten müssen als alle anderen und können jetzt endlich zeigen, wie enthusiastisch und verantwortungsvoll sie mit der immer noch komplexen Situation umgehen können. Dafür zieht es naturgemäß viele nach draußen, auf Freilichtbühnen und Theatervorplätze. Hoffentlich spielt das Wetter in den nächsten Tagen mit!

Dass noch nicht alle Häuser öffnen können, ist klar. Ist die Inzidenz immer noch hoch, verbietet es die Bundesnotbremse. Ansonsten müssen Ministerpräsidentinnen, Bürgermeister und Landrätinnen entscheiden, was sie verantworten müssen, können und wollen. So wird beispielsweise am Schauspiel Düsseldorf nächste Woche schon vor Publikum gespielt, am Schauspiel Köln aber noch nicht. Die großen Bühnen in Sachsen-Anhalt – Dessau, Halle, Magdeburg – öffnen ihre Zuschauerräume so schnell wie möglich, im benachbarten Thüringen bereitet man sich eher „auf die Freilichtsaison“ vor. Dass das möglich ist, dass nicht alle warten müssen, bis es überall geht, ist ein unbestreitbarer Vorteil des in letzter Zeit so viel gescholtenen Föderalismus‘.

Durchaus erstaunlich ist die Flexibilität der Häuser, das Tempo, mit dem die oft als ach so schwerfällig apostrophierten Theaterbetriebe wieder spielfähig sind, sobald sich die Möglichkeit bietet. Und wie! Die Frequenz an Premiereneinladungen an unsere Redaktion ist in den letzten beiden Tagen quasi ins Unzählbare gestiegen. Da haut zum Beispiel das Theater Krefeld Mönchengladbach fünf Premieren in sechs Tagen raus, quer durch alle Sparten; das Residenztheater in München legt aus dem Nichts los mit Shakespeare und Schimmelpfennig, Annie Ernaux und Oskar Maria Graf; und das Theater Magdeburg stellt Manfred Karges „Die Eroberung des Südpols“ neben „Guys and Dolls“ und „Rigoletto“ plus „Zigeunerbaron“, „Pünktchen und Anton“, Ballettschaufenster und Sinfoniekonzert. Alles in einer Woche, versteht sich. Und viele der hygienekonzeptbedingt nicht zu üppigen Kartenkontingente sind tatsächlich schon ausverkauft.

Ein gewisses Ausgehungertsein der Menschen nach ihrem Theater, nach ihren Theatern kann also konstatiert werden. Aber wie ist die Stimmung bei den Theatermacherinnen und -machern? Hierfür liefert das Staatsschauspiel Dresden unfreiwillig einen möglicherweise treffsicheren Beschreibungsversuch. Liest man die Titel der hier für Anfang Juni geplanten Premieren hintereinander weg, ergibt sich fast ein Gedicht zur Lage der Kulturnation Deutschland: „Konferenz der Anwesenden“ – „Das Buch der Unruhe“ – „Trilogie der Sommerfrische“: Immer noch aufgewühlt und durcheinander geschüttelt gemeinschaftlich nach vorne schauen und jede Art von Wärme aufsaugen und genießen.

Lasst uns vorsichtig sein, aber hingehen, unbedingt. Es ist dringend notwendig, dass wir Publikum unser Theater wieder instandbesetzen, denn ohne uns kann keine Bühne sein. Dieser Verantwortung sollten wir uns fröhlich stellen, ob beim experimentellen Tanz, bei der Schauspiel-Uraufführung oder in der Operette. Haben wir Spaß! Wie heißt es übernächsten Mittwoch im Essener Aalto Theater, live vor Publikum, extra neu übersetzt und zur Musik von Jacques Offenbach? „Auf ihr Wohl, Herr Blumenkohl!“

Guten Appetit!