Screenshot der Seite www.spectrum.de

Krisentagebuch 14 – The Air That I Breathe

In diesem gerade auch für Theatermenschen lesenswerten Artikel von der Seite www.spektrum.de fokussiert sich mein ganzes Hin- und Hergerissensein in diesen Krisentagen: auf der einen Seite die heiße Hoffnung, dass die Theater endlich wieder spielen mögen; auf der der anderen die große Sorge, dass gerade sie durch die spezifischen Infektionswege, die dieses fiese Virus nimmt, zu Brennpunkten neuer Gefährdung werden könnten. Diese Sorge hat einen Namen: Aerosole. Aerosole sind allerfeinste Tröpfchen in der Luft. Die feuchten Trompetenstöße, die wir beim Niesen oder Husten oder – wie es in einer Handlungs-Anweisung für die Theater mal irgendwo hieß: – beim „leidenschaftlichen Sprechen“ – ausstoßen, werden auch oft so bezeichnet. Aber eigentlich sind sie nur ein besonders schwerer Fall von Aerosolen. Daneben gibt es weitaus kleinere Aerosole. Sie sind viel leichter. Und das macht den Umgang mit ihnen sehr viel schwerer. Denn auch an ihnen könnten, bildlich gesprochen, Corona-Viren kleben.

Weil sie leichter sind, können sie länger schweben. Und sie sind auch nicht auf Niesen oder Husten angewiesen, um ans Licht der Welt zu gelangen; Atmen reicht schon. Wenn Chöre schmettern, Schauspieler sprechen und Sänger singen, Orchestermusiker spielen, dann reichern sie die Luft in geschlossenen Räumen quasi mit „ihren“ Aerosolen an. Und wenn unter ihnen Infizierte sind, dann reichern sie diese Luft möglicherweise auch mit Corona-Viren an. Irgendwann erreichen die Viren in der Luft dann eine Dichte, die es ihnen ermöglicht, neue „Wirte“ zu befallen. Dazu muss nicht unbedingt ein Luftstrom oder Tröpfchen von dem einen Sprecher, Sänger oder Trompeter einen anderen Menschen direkt erreichen. Es geht allein um diese Anreicherung in der Luft, die sich nach und nach aufbaut und lange erhalten bleibt – selbst dann, wenn der Verbreiter der Viren schon nicht mehr im Raum ist.

Ist das wirklich so? Ich weiß es nicht, ich bin ja kein Virologe. Aber die Virologen wissen es auch nicht. Der spektrum.de-Artikel von Lars Fischer bilanziert sehr klar und nachvollziehbar die ganze Unwägbarkeit, die in dieser möglichen Gefährdung steckt: in den Indizien dafür und in dem Nichtwissen darüber. Das ist für die Theater hochrelevant. Denn Theater ist Empathie zwischen vielen Menschen, ist „gemeinsames Atmen“ – wie oft schon wurde diese Metapher benutzt, um das Kollektiverlebnis zu beschreiben, das die Bühne zu stiften vermag! Unter Corona-Bedingung beschreibt diese Metapher ein großes Risiko.

Ja, ich sehne mich danach, dass die Theater wieder spielen! Ich weiß aber auch, dass eines nicht passieren darf: Wenn die Theater durch dort entstehende Infektionsketten mit dem Ischgl-Bann belegt werden – dann können sie sich alles Spielen sparen. Denn dann wird keiner mehr kommen. Deswegen ist mir Armin Laschets miserabel vorbereiteter Theateröffnungs-Trompetenstoß so sauer aufgestoßen. Wenn die Theater wieder öffnen können, dann nur unter Beachtung allergrößter Sorgfalt und bei bester Vorbereitung. Und ehrlicherweise muss ich sagen: Ich bin froh, nicht in der Haut derjenigen zu stecken, die das entscheiden und verantworten müssen. Ja: Wir werden es ausprobieren müssen! Und ich werde hingehen! Und innig hoffen, dass die Sorgfalt ausreicht, um das Virus von den Theatern fernzuhalten.