Cover „Opera de Paris...“

DVD: Opéra de Paris – une saison (très) particulière

Natürlich. Vom Lockdown möchte keiner mehr etwas hören. Das ist vorbei und darf sich nicht wieder ereignen. Basta. Nun ist aber ein Film erschienen, der eine Geschichte von einem Lockdown erzählt,  der (noch) wesentlich härter war als das, was viele deutsche Theater erdulden mussten.

Von März 2020 bis Juni 2021 war die Pariser Oper fast durchgängig geschlossen. Die 70-minütige Dokumentation von Priscilla Pizzato beschreibt dieses unnatürlich lange Leben am Theater ohne Publikum anhand einer Ikone des Pariser Ballettrepertoires, „La Bajadère“ mit der Musik von Ludwig Minkus, 1992 nach den Notizen von Marius Petipa zur Uraufführung neu kreiert von Rudolf Nurejew. Im März 2020 sollte eine komplett neu besetzte Neueinstudierung an der Opéra de Paris herauskommen, im Juni 2021 konnte sie tatsächlich stattfinden, nachdem die Produktion im Dezember 2020 gestreamt worden war.

Pizzatos Film schildert eindrücklich, wie schwierig, ja wie unnatürlich ein Theater ohne Publikum für Theaterschaffende auf und hinter der Bühne ist – und gibt gleichzeitig Einblicke in die Arbeit einer großen Compagnie für klassisches Ballett. Gerade durch die Zerdehnung des Probenprozesse auf nahezu allen Ebenen und dessen filmische Aufarbeitung erfährt man plastisch, wie eine Choreografie an einem großen Haus für die Bühne umgesetzt wird.

Vor allem der Ballettlaie bekommt unerhört plastisch den merkwürdigen der Kunst des klassischen Tanzes immanenten Dualismus vorgeführt: Wie ein Maß an Strenge auf der einen, Disziplin auf der anderen Seite, wie man es in kaum einem anderen Arbeitsfeld finden wird, in einen – gelegentlich sogar unerhört schwerelosen – ungeschminkten Ausdruck von Lebensfreude mündet. Wobei auch gezeigt wird, wie zugewandt, ja freundlich diese Strenge daherkommen kann und wie sehr es darum geht, wiederholbare Abläufe für diesen so mirakulösen Ausdruck zu finden. Und wieviel Leidenschaft mit all dem verbunden sind. Und wie furchtbar es sich gerade für Tänzer:innen anfühlt, mehr als ein ganzes Jahr in ihrer kurzen Karriere nicht vor Publikum auftreten zu können, ein Verlust, der nie erstattet werden kann.

Als Dreingabe sind die Ballettszenen, ob nun mit Kostüm oder ohne, so instruktiv gefilmt, dass einem ob der oft die Überwindung der Schwerkraft suggerierenden Körperbeherrschung und Musikalität immer mal wieder der Mund offen stehen bleibt. Wie gesagt: Für den zugeneigten Ballettlaien – wie den Schreiber dieses kleinen Textes – öffnet das einen neuen Blick auf eine heute oft marginalisierte Kunstform. Der Profi mag das alles oft erlebt und gesehen haben. Der Film bleibt dennoch außergewöhnlich, gerade durch die in doppelter Hinsicht historische Perspektive.

Opéra de Paris – une saison (très) particulière, 70-minütige Dokumentation von Priscilla Pizzato in französischer Sprache mit englischen Untertiteln und Bonusmaterial (Gespräch mit der Directrice de la Danse Aurèlie Dupont und Probenausschnitte mit den Danseurs Étoiles der Compagnie).
Die DVD ist bei BelAir unter der Nummer BAC196 am 13. Mai 2022 erschienen, auch als Blu-ray erhältlich und wird zum Preis von 24,99€ im Handel angeboten. Den Trailer gibt es HIER zu sehen.